I. Die Problemstellung
Versäumnisurteil wird ohne Antrag erlassen
Häufig kommt es vor, dass der Anwalt vergisst, den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Verfahren nach § 331 Abs. 3 ZPO zu stellen, insbesondere bei Anspruchsbegründung nach Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren. Hier wird häufig übersehen, dass nach Eingang der Anspruchsbegründung wie nach Eingang der Klage zu verfahren ist (§ 696 Abs. 2 S. 1 ZPO) und dass auch hier ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergehen kann (§§ 696 Abs. 2 S. 2, 276, 331 Abs. 3 ZPO). Mitunter setzt dann das Gericht diesem anwaltlichen Versäumnis ein weiteres hinzu und erlässt ohne Antrag nach Ablauf der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft ein die Klage zusprechendes Versäumnisurteil. Im Folgenden entsteht dann häufig Streit, wie zutreffend abzurechnen ist, also ob dem Anwalt die 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3104, 3105 VV zusteht, obwohl er keinen Antrag gestellt hat.
II. Die Rechtslage nach der BRAGO
Rechtslage nach BRAGO war umstritten
Dieses Problem ergab sich schon zu BRAGO-Zeiten. Dort war die Sache umstritten, da die BRAGO für die damalige Verhandlungsgebühr auf einen Antrag abstellte. Zum Teil wurde das Entstehen einer Verhandlungsgebühr verneint (OLG Düsseldorf MDR 1984, 950 = JurBüro 1984, 1838 = VersR 1984, 1173); zum Teil wurde aber auch vertreten, in dem Klageantrag bzw. in der Anspruchsbegründung sei konkludent auch der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils enthalten, so dass die damalige 5/10-Verhandlungsgebühr des § 35 BRAGO auch ohne Antrag entstehen konnte (LG Köln AGS 2001, 224 = MDR 2001, 1018 = BRAGOreport 2001, 105).
III. Die Rechtslage nach dem RVG
Nach dem RVG ist die Sache noch eindeutiger, was allerdings von manchen Gerichten nicht beachtet wird, so vom OLG Oldenburg (AGS 2008, 386 = MDR 2008, 887 = Rpfleger 2008, 538 = FamRZ 2008, 2144 = NJW-RR 2008, 1670 = OLGR 2009, 82 = RVGreport 2008, 263 = NJW-Spezial 2008, 475 = AnwBl 2008, 638).
Ergehen der Entscheidung reicht aus
Im Gegensatz zur BRAGO entsteht die ermäßigte 0,5-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV schon dann, wenn „eine Entscheidung gemäß § 331 Abs. 3 ZPO ergeht“. Im Gesetz ist nicht die Rede davon, dass dies auch beantragt worden sein muss. Hintergrund ist, dass für das Entstehen einer Terminsgebühr – im Gegensatz zur Verhandlungsgebühr nach der BRAGO – ein Antrag gar nicht erforderlich ist. Hier reicht die bloße Teilnahme an einem Termin aus, um die volle Terminsgebühr zu verdienen. Eines Antrags bedarf es nicht. Gleiches gilt auch im Verfahren nach § 331 Abs. 3 ZPO. Entscheidend ist nur, dass das Urteil ergeht (LG Berlin RVGreport 2006, 105; OLG Jena AGS 2006, 227 m. Anm. Schons = OLGR 2006, 280 = RVGreport 2006, 187 = MDR 2006, 1196 = Rpfleger 2006, 289 = JurBüro 2006, 254 = NJ 2006, 277; OLG München = JurBüro 2007, 589 = FamRZ 2008, 913 = RVGreport 2007 = OLGR 2007, 875).
Es verhält sich hier nicht anders als bei einem Anerkenntnisurteil, das sogar nach dem Gesetz ohne Antrag ergehen kann. Ergeht ein solches Anerkenntnisurteil, erhält der Anwalt immer die 1,2-Terminsgebühr, unabhängig davon, ob er den Erlass eines solchen Anerkenntnisurteils beantragt hat (OLG Karlsruhe OLGR 2006, 246 = JurBüro 2006, 195; OLG Jena JurBüro 2005, 529 = Rpfleger 2005, 699 = OLGR 2005, 975 = MDR 2005, 1436 = RVGreport 2005, 389 = NJ 2005, 505; OLG Stuttgart AGS 2006, 24 = MDR 2005, 1259 = JurBüro 2005, 587 = NJW-RR 2005, 1735 = OLGR 2006, 33; LG Stuttgart AGS 2005, 328 = NJW 2005, 3152 = RVG-Letter 2005, 68).
Besser ist es natürlich, den Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils immer zu stellen, so dass es auf die Streitfrage erst gar nicht ankommt.