Leitsatz
Ein Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 5 VwGO und ein Verfahren auf Abänderung nach § 80 Abs. 7 VwGO gehören zur selben Angelegenheit, sodass die Gebühren des Anwalts nur einmal entstehen.
Bayerischer VGH, Beschl. v. 26.1.2012 – 9 C 11.3040
1 I. Der Fall
Im vorliegenden Verfahren geht es um die Frage der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten der Beigeladenen, die für ein erstinstanzliches Abänderungsverfahren i.S.d. § 80a Abs. 3 S. 2, § 80 Abs. 7 VwGO geltend gemacht werden.
Das VG hatte mit Beschl. v. 1.8.2011 den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung des Landratsamts abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte der VGH zurückgewiesen.
Bereits mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10.8.2011 hatte die Antragstellerin beim VG einen Antrag auf Abänderung nach §§ 80a Abs. 3 S. 2, 80 Abs. 7 VwGO gestellt. Das VG wies diesen Antrag als unzulässig zurück und legte der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen auf.
Die Beigeladene beantragte daraufhin, gem. § 164 VwGO die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten festzusetzen. Dabei berechnete sie für das Anordnungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO einerseits und das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO andererseits jeweils eine gesonderte Vergütung. Der Urkundsbeamte des Gerichts lehnte die Festsetzung für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO könne der Rechtsanwalt, der schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (bzw. im Verfahren nach § 80a Abs. 3 VwGO) tätig gewesen sei, nicht erneut seine Gebühren verlangen, da beide Verfahren dieselbe Angelegenheit bildeten (§ 16 Nr. 5 RVG). Im vorliegenden Fall seien die Gebühren und Auslagen der Bevollmächtigten der Beigeladenen bereits im Verfahren nach § 80a Abs. 3 VwGO festgesetzt worden. Es sei nicht ersichtlich, dass zusätzliche Gebühren und Auslagen erstmals im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entstanden seien.
Den von den Beigeladenen gestellten Antrag auf Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) wies das VG zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 II. Die Entscheidung
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist nicht zu beanstanden. Die Beigeladenen haben keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Rechtsanwaltsvergütung, weil diese Kosten bereits im Verfahren nach § 80a Abs. 3 VwGO festgesetzt worden sind.
Anwalt kann seine Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern
Die Gebühren entgelten, soweit das RVG nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit (§ 15 Abs. 1 S. 1 RVG). In "derselben Angelegenheit" kann der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal fordern; in gerichtlichen Verfahren allerdings in jedem Rechtszug (§ 15 Abs. 2 S. 2 RVG a.F./§ 17 Nr. 1 RVG). Dieser Regelung liegt ein pauschalierender vergütungsrechtlicher Ansatz zugrunde. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts wird in einzelne "Angelegenheiten" unterteilt, die den jeweiligen Gebührentatbeständen zugeordnet und dann pauschal vergütet werden. Die §§ 16 bis 18 RVG bestimmen ergänzend, welche Verfahren oder Verfahrensabschnitte noch als "dieselbe Angelegenheit" (§ 16 RVG), "verschiedene Angelegenheiten" (§ 17 RVG) oder "besondere Angelegenheiten" (§ 18 RVG) gelten.
Gegenüber der Hauptsache liegen jeweils gesonderte Angelegenheiten vor
Nach § 17 Nr. 4c) und d) RVG sind zwar das Verfahren in der Hauptsache auf der einen Seite sowie ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO und ein Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf der anderen Seite "verschiedene Angelegenheiten".
Anordnung und Aufhebung bzw. Abänderung sind dieselbe Angelegenheit
Das gilt aber nicht für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO im Verhältnis zum Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO. Denn die Tätigkeit eines sowohl im Ausgangsverfahren als auch im nachfolgenden Abänderungsverfahren beauftragten Rechtsanwalts betrifft nach § 16 Nr. 5 RVG "dieselbe Angelegenheit" i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Ist der Rechtsanwalt in beiden Verfahren tätig geworden, entstehen seine Gebühren für den jeweiligen Rechtszug bereits im Ausgangsverfahren und können daher im Abänderungsverfahren nicht zusätzlich verlangt werden (so bereits VGH Baden-Württemberg AGS 2012, 17 = JZ 2012, 421; Bayerischer VGH AGS 2007, 567 = NJW 2007, 2715 = BayVBl 2008, 702).
3 III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend.
Ein Verfahren auf Abänderung oder Aufhebung einer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidung bildet mit dem Anordnungsverfahren nach § 16 Nr. 5 RVG eine einzige Angelegenheit. Dies gilt übergreifend für alle Gerichtsbarkeiten.
Anders verhält es sich nur, wenn zwischen Anordnung und Abänderungs- oder Aufhebungsantrag mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind. Dann handelt es sich...