Fortführung des Rechtsstreits ist dieselbe Angelegenheit
Verstirbt im Laufe des Rechtsstreits die Partei und führt der Erbe oder führen die Erben den Prozess fort, so wird kein neuer Auftrag erteilt. Der Anwaltsvertrag setzt sich vielmehr mit dem oder den Erben fort (OLG Köln AGS 2014, 451 m. Anm. N. Schneider = ZEV 2014, 421 = RVGreport 2014, 362). Es handelt sich insoweit aber immer noch um dieselbe Angelegenheit, so dass die Gebühren insgesamt nur einmal entstehen (§ 15 Abs. 2 RVG).
Soweit der Anwalt mehrere Erben vertritt, erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV. Das ist einhellige Auffassung.
Umfang der Gebührenerhöhung ist strittig
Strittig ist insoweit allerdings, ob der Erblasser neben den Erben mitgezählt wird.
Beispiel 1
Der Anwalt hatte zunächst den Erblasser vertreten. Im Verlaufe des Verfahrens ist dieser verstorben und von seinen vier Kindern beerbt worden.
Dadurch, dass jetzt die vier Kinder als Erben in das Verfahren eingetreten sind, erhöht sich die Verfahrensgebühr auf jeden Fall um 3 x 0,3, also um 0,9, bzw. bei Betragsgebühren um 3 x 30 %, also um 90 %.
H.M. zählt den Erblasser mit
Rechnet man auch noch den Erblasser mit, so muss man konsequenterweise eine Erhöhung von (4 x 0,3 =) 1,2 vornehmen (so OLG Köln AGS 2014, 451 m. Anm. N. Schneider = ZEV 2014, 421 = RVGreport 2014, 362; ebenso Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., 2015, Nr. 1008 VV Rn 76), bzw. bei Betragsgebühren um (4 x 30 % =) 120 %.
Zutreffend ist es jedoch, nur eine Erhöhung von 0,9 bzw. 90 % anzunehmen, da die vier Erben anstelle des Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in seine Rechtsposition eingetreten sind und daher der Erblasser, an dessen Stelle sie eingetreten sind, nicht als zusätzliche Person mitgezählt werden darf.
Soweit man der Gegenauffassung folgt, muss eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV auch schon dann angenommen werden, wenn der Erblasser von einer einzigen Person beerbt wird (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 1008 VV Rn 76; ebenso zu den sozialrechtlichen Gebühren SG Fulda AGS 2013, 398 m. abl. Anm. N. Schneider = NJW-Spezial 2013, 636 = NZS 2013, 840).
Beispiel 2
Wie Beispiel 1; der Erblasser wird jedoch nur von einem einzigen Abkömmling beerbt.
Zutreffenderweise ist hier keine Gebührenerhöhung vorzunehmen.
Zählt man dagegen den Erblasser mit, so wäre hier eine Erhöhung der Verfahrensgebühr um 0,3 bzw. um 30 % anzunehmen.
H.M. wendet Grundsätze des Parteiwechsels an
Der Fehler der h.M. liegt darin, dass sie den Eintritt eines bzw. mehrerer Erben wie einen Parteiwechsel behandelt, bei dem nach der Rspr. des BGH eine Auftraggebermehrheit vorliegt (AGS 2006, 583 = JurBüro 2007, 76 = NJW 2007, 769 = MDR 2007, 365 = zfs 2007, 226 = FamRZ 2007, 41 = RVGreport 2007, 25). Nach dem Tod des Erblassers findet aber kein Parteiwechsel statt. Die Erben treten vielmehr im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an Stelle des Erblassers in dessen Stellung ein (§ 1922 Abs. 1 BGB).
AGKompakt 10/2017, S. 104