Fiktive Terminsgebühr auch im Berufungsverfahren möglich

Die fiktive Terminsgebühr kann auch im Berufungsverfahren anfallen, da im Berufungsverfahren die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (§§ 525 S. 1, 128 Abs. 1 ZPO).

 
Hinweis

Wird in einem Rechtsstreit in zweiter Instanz, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO auf die mündliche Verhandlung verzichtet, so fällt nach Nr. 3202 Abs. 1 i.V.m. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV eine Terminsgebühr an.

OLG Naumburg, Beschl. v. 25.6.2010 – 2 W 59/10, AGS 2010, 564 = JurBüro 2010, 644 = NJW-RR 2011, 144

 

Beispiel 6: Schriftlicher Vergleich im Berufungsverfahren

Gegen seine Verurteilung i.H.v. 20.000,00 EUR legt der Beklagte Berufung ein und begründet diese. Nach Eingang der Berufungserwiderung schlägt das Gericht vor, die Parteien mögen sich dahingehend einigen, dass der Beklagte zum Ausgleich der Klageforderung 12.000,00 EUR zahle. Beide Parteien stimmen dem zu, ohne dass es zu einer mündlichen Verhandlung oder zu Besprechungen der Anwälte kommt. Das Gericht beschließt sodann nach § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen des Vergleichs.

Die Anwälte erhalten neben einer 1,6-Verfahrensgebühr und einer 1,3-Einigungsgebühr eine 1,2-Terminsgebühr nach Anm. zu Nr. 3202 VV i.V.m. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV.

 
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV   1.187,20 EUR
  (Wert: 20.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV   890,40 EUR
  (Wert: 20.000,00 EUR)    
3. 1,3-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1004 VV   964,60 EUR
  (Wert: 20.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 3.062,20 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   581,82 EUR
Gesamt 3.644,02 EUR

Die fiktive Terminsgebühr entsteht jedenfalls auch dann, wenn das Gericht noch keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob es von der Möglichkeit des § 522 Abs. 2 ZPO, die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, Gebrauch macht.

 
Hinweis

Eine Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV entsteht im Berufungsverfahren auch dann, wenn noch während der laufenden Frist zur Berufungsbegründung ein schriftlicher Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird.

OLG Celle, Beschl. v. 19.6.2013 – 2 W 134/13, AGS 2013, 326 = NJW-Spezial 2013, 443 = IBR 2013, 502 = RVGprof. 2013, 147 = AnwBl 2013, 772 = RVGreport 2013, 390

 

Beispiel 7: Schriftlicher Vergleich im Berufungsverfahren vor Berufungsbegründung

Gegen seine Verurteilung i.H.v. 20.000,00 EUR legt der Beklagte Berufung ein. Bevor er eine Begründung einreicht, schließen die Parteien einen schriftlichen Vergleich, dessen Zustandekommen das Gericht nach § 278 Abs. 6 ZPO beschließt.

Abzurechnen ist für den Berufungskläger wie im vorherigen Beispiel 6.

Für den Berufungsbeklagten dürfte in dieser Phase nur die ermäßigte 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV angefallen sein, so dass für diesen wie folgt abzurechnen wäre:

 
1. 1,1-Verfahrensgebühr, Nrn. 3200, 3201 VV   816,20 EUR
  (Wert: 20.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV   890,40 EUR
  (Wert: 20.000,00 EUR)    
3. 1,3-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1004 VV   964,60 EUR
  (Wert: 20.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.691,20 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   511,33 EUR
Gesamt 3.202,53 EUR

Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen

Auch dann, wenn das Gericht erwägt oder ankündigt, nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheiden zu wollen, kann nach zutreffender Ansicht die fiktive Terminsgebühr anfallen. Das Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO stellt nämlich kein gesondertes Verfahren ohne vorgeschriebene mündliche Verhandlung dar; es handelt sich hierbei lediglich um eine besondere Entscheidungsmöglichkeit ohne mündliche Verhandlung, was aber dem Anfall der Terminsgebühr nicht entgegensteht.

 

Beispiel 8: Schriftlicher Vergleich im Berufungsverfahren nach Hinweis des Gerichts

Gegen seine Verurteilung i.H.v. 20.000,00 EUR legt der Beklagte Berufung ein und begründet diese. Nach Eingang der Berufungserwiderung weist das Gericht darauf hin, dass es beabsichtige die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Daraufhin einigen sich die Parteien, ohne dass es zu einer mündlichen Verhandlung oder zu Besprechungen der Anwälte kommt. Das Gericht beschließt sodann nach § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen des Vergleichs.

Die Anwälte erhalten neben einer 1,6-Verfahrensgebühr und einer 1,3-Einigungsgebühr eine 1,2-Terminsgebühr nach Anm. zu Nr. 3202 VV i.V.m. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV. Dass das Gericht angekündigt hat, ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen, ändert nichts daran, dass im Verfahren die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Abzurechnen ist wiederum wie in Beispiel 6.

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