I. Ausgangslage
Liegt der Streitwert des Verfahrens nicht über 600,00 EUR, kann das Amtsgericht das Verfahren nach § 495a ZPO anordnen (sog. Bagatellverfahren). Die Vorschrift ist nur in Zivilsachen anwendbar. In Familienstreitsachen vor den Amtsgerichten findet diese Vorschrift dagegen keine Anwendung (arg. e § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG).
Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden
Soweit das Gericht das Verfahren nach § 495a BGB angeordnet hat, kann es sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen (§ 495a S. 1 ZPO). Dies beinhaltet insbesondere, dass das Gericht nicht mündlich verhandeln muss, sondern auch eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren treffen kann. Das Gericht muss allerdings gem. § 495a S. 2 ZPO auf Antrag einer Partei die mündliche Verhandlung durchführen. Daher handelt es sich faktisch um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung. Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung sind nämlich nicht nur solche Verfahren, in denen von vornherein eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, sondern auch Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung für den Fall vorgeschrieben ist, dass eine Partei sie beantragt (BGH, Beschl. v. 2.11.2011 – XII ZB 458/10, AGS 2012, 10). Unabhängig davon ordnet Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV zur Klarstellung ausdrücklich an, dass eine fiktive Terminsgebühr auch in Verfahren nach § 495a ZPO entstehen kann.
II. Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV
Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV immer möglich
Zunächst einmal kommt auch in Verfahren nach § 495a ZPO eine Terminsgebühr unter den Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV in Betracht, und zwar nach allen drei Varianten.
1. Teilnahme an gerichtlichem Termin
Teilnahme an gerichtlichem Termin
Kommt es zu einer mündlichen Verhandlung vor Gericht, so entsteht die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV. Grundsätzlich entsteht die Terminsgebühr dabei i.H.v. 1,2 (Nr. 3104 VV).
Beispiel 1
Nach Klageerhebung (Wert: 500,00 EUR) ordnet das Gericht das schriftliche Verfahren nach § 495a ZPO an. Auf Antrag des Beklagten wird mündlich verhandelt.
Beide Anwälte verdienen neben einer 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) auch eine 1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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58,50 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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54,00 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
132,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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25,18 EUR |
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Gesamt |
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157,68 EUR |
Ermäßigung in Säumnisfällen möglich
Unter den Voraussetzungen der Nr. 3105 VV ermäßigt sich die Gebühr allerdings auf 0,5.
Beispiel 2
Nach Klageerhebung (Wert: 500,00 EUR) ordnet das Gericht das schriftliche Verfahren nach § 495a ZPO an. Auf Antrag des Beklagten wird die mündliche Verhandlung anberaumt, zu der der Kläger nicht erscheint. Der Beklagte beantragt lediglich, die Klage durch Versäumnisurteil abzuweisen. Gegen das daraufhin ergangene Versäumnisurteil wird kein Einspruch eingelegt.
Der Anwalt des Beklagten verdient neben der 1,3-Verfahrensgebühr jetzt nur eine 0,5-Terminsgebühr (Nr. 3105 VV).
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
58,50 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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|
2. |
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV |
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22,50 EUR |
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(Wert: 500,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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16,20 EUR |
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Zwischensumme |
97,20 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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18,47 EUR |
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Gesamt |
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115,67 EUR |
2. Teilnahme an einem gerichtlichen Sachverständigentermin
Teilnahme an Sachverständigentermin
Möglich ist auch, dass die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV entsteht, wenn der Anwalt lediglich an einem vom einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termin teilnimmt.
Beispiel 3
Der Kläger klagt aus einem Verkehrsunfall 600,00 EUR Wertminderung ein. Das Gericht ordnet das schriftliche Verfahren nach § 495a ZPO an. Der beklagte Versicherer bestreitet die Wertminderung. Daraufhin beauftragt das Gericht gem. § 358a ZPO einen Sachverständigen, der zur Klärung der streitigen Frage ein Gutachten erstellen soll. Der Anwalt nimmt an dem Sachverständigentermin teil. Nach Erhalt des Gutachtens wird die Klage zurückgenommen.
Der Anwalt verdient neben der 1,3-Verfahrensgebühr eine 1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV durch die Teilnahme am Sachverständigentermin.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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104,00 EUR |
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(Wert: 600,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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96,00 EUR |
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(Wert: 600,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
220,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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41,80 EUR |
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Gesamt |
|
261,80 EUR |
3. Besprechung zur Erledigung des Verfahrens
Besprechung mit Gegner
Schließlich kann die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV auch dann entstehen, wenn der Anwalt mit dem Gegner oder dessen Anwalt eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens führt (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV).
Beispiel 4
Nach Klageerhebung (Wert: 500,00 EUR) ordnet das Gericht das schriftliche Verfahren nach § 495a ZPO an. Nach Zustellung der Klage ruft der Anwalt des Beklagten den Anwalt des Klägers an und weist auf die Unschlüssigkeit der Klage hin. Der Kläger nimmt daraufhin die Klage zurück.
Beide Anw...