Leitsatz
Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Erteilung eines Erbscheins erhält der Rechtsanwalt nur eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV.
OLG München, Beschl. v. 30.6.2010 – 34 Wx 78/10
I. Der Fall
Das AG hatte dem Beteiligten zu 1) einen Erbschein erteilt. Die hiergegen vom Beteiligten zu 2) erhobene Beschwerde hatte das OLG kostenpflichtig zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 1) hatte daraufhin die Festsetzung einer 1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer beantragt. Die Rechtspflegerin hatte lediglich eine 0,5-Gebühr nach Nr. 3500 VV festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
II. Die Entscheidung
Verfahrensgebühr bestimmt sich nach Nr. 3500 VV
Das AG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verfahrensgebühr im Verfahren der Beschwerde gegen eine Erbscheinerteilung nach Nr. 3500 VV zu berechnen ist. Nr. 3200 VV ist neben den Berufungsverfahren nach Vorbem. 3.2.1 VV nur auf die dort aufgezählten („bestimmten“) Beschwerden und Verfahren anzuwenden. Da der Gesetzgeber alle in Vorbem. 3.2.1 VV nicht ausdrücklich genannten Beschwerden nach Nr. 3500 VV behandelt wissen will, ist die Aufzählung auch abschließend. Hätte der Gesetzgeber nur eine beispielhafte Aufzählung gewollt, so hätte er dies zum Ausdruck gebracht, etwa durch Einfügung des Wortes „insbesondere“. Der Gesetzesbegründung (Drucks 15/1971, S. 213) kann zwar ein genereller Wille entnommen werden, mit dem Berufungsverfahren vergleichbare Beschwerdeverfahren auch kostenrechtlich gleich zu behandeln.
Analoge Anwendung scheidet aus
Eine analoge Anwendung von Nr. 3200 VV im Erbscheinverfahren scheitert bereits am Fehlen einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat die Gebühren ausdrücklich auch für die Vertretung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt. Er hat in Vorbem. 3.2.1 VV diejenigen Beschwerdeverfahren aufgezählt, die wie Berufungen vergütet werden sollen. Es spricht nichts für die Annahme, dass der Gesetzgeber vergessen hat, das Erbscheinverfahren hierbei zu erwähnen.
III. Der Praxistipp
Entscheidung entspricht der fast einhelligen Rspr.
Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht der ganz überwiegenden bisherigen Rspr. (OLG München AGS 2006, 475 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2006, 307 = ZEV 2006, 366 = OLGR 2006, 363 = JurBüro 2006, 312 = Rpfleger 2006, 441 = MDR 2006, 1016 = NJW-RR 2006, 1727 = ZEV 2006, 366; LG Augsburg AGS 2006, 475; OLG Schleswig AGS 2006, 478 = ZEV 2006, 366 m. Anm. Ruby; LG Heidelberg AGS 2007, 399 = ErbR 2007, 161 = ZFE 2007, 320; LG Bamberg AGS 2006, 595; a.A. OLG Köln AGS 2008, 543 = DNotZ 2009, 396 = RVGreport 2008, 426 = NJW-Spezial 2008, 765).
Erbscheinverfahren sind bewusst nicht in Vorbem. 3.2.1 VV aufgenommen worden
Dem Gesetzgeber war die Diskussion über die Vergütung in Erbscheinbeschwerdeverfahren und die dazu ergangene Rspr. bekannt. Er hat sich bewusst den an ihn herangetragenen Forderungen nach einer Änderung der Vorbem. 3.2.1 VV widersetzt und bei der Neufassung der Vorbem. 3.2.1 VV durch das FGG-ReformG die Erbscheinverfahren nicht mit aufgenommen. Es bleibt daher dabei, dass im Erbscheinbeschwerdeverfahren, für das jetzt das OLG zuständig ist (§ 119 Nr. 1 Buchst. b) GVG), die Verfahrensgebühr der Nr. 3500 VV entsteht.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 70 ff. FamFG gilt Nr. 3502 VV.