I. Überblick
Angelegenheit ist Ausgangspunkt der Vergütung
Grundlage des Vergütungssystems nach dem RVG ist die Einteilung der anwaltlichen Tätigkeit in verschiedene einzelne gebührenrechtliche Angelegenheiten.
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In verschiedenen Angelegenheiten erhält der Anwalt seine Gebühren und Auslagen gesondert (arg. e § 15 Abs. 1 RVG). |
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In derselben Angelegenheit können die Gebühren und Auslagen dagegen gem. § 15 Abs. 2 RVG nur einmal entstehen, sofern nichts anderes bestimmt ist (Grundsatz der Einmaligkeit der Gebühren). Die Gebühren entgelten dann nach § 15 Abs. 1 RVG die gesamte Tätigkeit des Anwalts von der Annahme des Auftrags bis zur Erledigung der Angelegenheit (sog. Pauschalcharakter der Gebühren). |
Begriff der Angelegenheit
Von einer Angelegenheit ist grundsätzlich auszugehen, wenn
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der Tätigkeit des Anwalts ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegt, |
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die Tätigkeit sich im gleichen Rahmen hält und |
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zwischen den einzelnen Handlungen oder Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeit ein innerer Zusammenhang besteht (siehe ausführlich AnwK-RVG/N. Schneider, § 15 Rn 22 ff.). |
Zur Frage des Umfangs der Angelegenheit für gerichtliche Verfahren enthält das Gesetz in den §§ 16 bis 19 RVG vier umfangreiche Kataloge, in denen geregelt ist, wann mehrere Angelegenheiten gegeben sind und wann nur eine Angelegenheit vorliegt.
Der Umfang der Angelegenheit bei Abgabe, Verweisung und Zurückverweisung ist ergänzend gesondert in den §§ 20 und 21 RVG geregelt.
II. Die gesetzliche Regelung
Vier Fälle sind zu unterscheiden
Die §§ 20 und 21 Abs. 1 und 2 RVG regeln vier verschiedene Fälle der Verweisung bzw. Abgabe und der Zurückverweisung.
Insoweit gilt Folgendes:
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Wird ein Verfahren an ein anderes Gericht derselben Instanz abgegeben oder verwiesen, spricht man von einer sog. Horizontalverweisung (Fall des § 20 S. 1 RVG). |
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Wird die Verweisung erst vom (Rechtsmittel-)Gericht in eine untere Instanz ausgesprochen, liegt eine sog. Diagonalverweisung vor (Fall des § 20 S. 2 RVG). |
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Wird die Sache von einem Rechtsmittelgericht an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen, spricht man von einer sog. Vertikalverweisung (Fälle des § 21 Abs. 1 RVG und der Sonderfall nach § 21 Abs. 2 RVG). |
Übersicht
Anschaulich lassen sich die verschiedenen Fälle anhand von Beispielen in folgendem Schaubild darstellen:
III. Verweisung und Abgabe an ein Gericht derselben Instanz (Horizontalverweisung)
Horizontalverweisung bleibt dieselbe Angelegenheit
Verweist ein Gericht an ein anderes Gericht derselben Instanz, so zählten nach § 20 S. 1 RVG das Verfahren vor dem abgebenden und das Verfahren vor dem empfangenden Gericht als eine Angelegenheit. Das Gleiche gilt im Falle einer Abgabe. Die Gebühren entstehen insgesamt nur einmal (§ 15 Abs. 2 RVG).
Beispiel 1 (Verweisung ArbG an LG)
Es wird Klage auf Zahlung von 10.000,00 EUR vor dem ArbG erhoben. Das ArbG verweist die Sache an das zuständige LG, vor dem dann die mündliche Verhandlung stattfindet.
Es liegt nach § 20 S. 1 RVG nur eine Angelegenheit vor. Der Anwalt erhält die Gebühren nur einmal.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
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725,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
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669,60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.415,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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268,85 EUR |
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Gesamt |
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1.683,85 EUR |
IV. Verweisung an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs (Diagonalverweisung)
Diagonalverweisung führt zu neuer Angelegenheit
Wird an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen, so gilt § 20 S. 2 RVG. Das weitere Verfahren vor dem Empfangsgericht gilt als neue Angelegenheit, auch gegenüber dem vorangegangenen Verfahren.
Es liegen also drei Angelegenheiten vor:
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das Ausgangsverfahren, |
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das Rechtsmittelverfahren, |
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das Verfahren nach Verweisung. |
Eine Gebührenanrechnung ist hier im Gegensatz zu den Fällen der Zurückverweisung nach § 21 Abs. 1 RVG (siehe u. V.) nicht vorgesehen.
Beispiel 2 (Verweisung vom LAG an das LG als erstinstanzliches Gericht)
Es wird Klage (Wert: 10.000,00 EUR) vor dem ArbG erhoben, welches die Klage mangels Zuständigkeit als unzulässig abweist. Das LAG hebt auf die Berufung das Urteil des ArbG auf und verweist die Sache auf den jetzt hilfsweise gestellten Verweisungsantrag an das zuständige LG, vor dem dann erneut verhandelt wird.
Da das L...