A. Überblick
Grundtatbestand
Der Grundtatbestand der Einigungsgebühr ist in Nr. 1000 VV geregelt. Grundsätzlich ist bei Wertgebühren von einem Gebührensatz i.H.v. 1,5 auszugehen. Entgegen der häufig anzutreffenden Bezeichnung handelt es sich dabei nicht um den "außergerichtlichen Gebührensatz", sondern einfach um den Grundtatbestand. Mit gerichtlicher/außergerichtlicher Tätigkeit hat dies nichts zu tun. Die Parteien können sich auch außergerichtlich über anhängige Gegenstände einigen und vor Gericht über nicht anhängige Gegenstände.
Ermäßigung in gerichtlichen Verfahren
Soweit der Gegenstand einer Einigung gerichtlich anhängig ist (mit Ausnahme des selbstständigen Beweisverfahrens und eines PKH-Antrags dafür), ermäßigt sich der Gebührensatz, und zwar in den Fällen der Nr. 1003 VV auf 1,0 und in den Fällen der Nr. 1004 VV auf 1,3.
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Von einer Anhängigkeit i.S.d. Nrn. 1003, 1004 VV ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Gegenstand der Einigung durch Anträge Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens geworden ist, sodass das Gericht ohne die Einigung über die geltend gemachten Ansprüche hätte entscheiden müssen. |
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Dem steht es gleich, wenn ein Antrag auf Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung eines solchen Verfahrens gestellt worden ist. Dagegen reicht nicht der Antrag auf Erstreckung der PKH/VKH auf den Mehrwert eines Vergleichs (str. s.u.), erst recht nicht die gesetzliche VKH-Erstreckung in einer Ehesache (§ 48 Abs. 3 RVG). |
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Darüber hinaus führt auch ein Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher zu einer Anhängigkeit (Anm. Abs. 1 S. 3 zu Nr. 1003 VV). |
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Keine Anhängigkeit ist gegeben, wenn der Gegenstand der Einigung lediglich Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens oder eines darauf gerichteten Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeverfahrens ist. |
Die Anhängigkeit endet mit dem formellen Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, der Klage- oder Antragsrücknahme oder anderweitiger Erledigung des Verfahrens.
Wann und in welchem Umfang eine Anhängigkeit der Nrn. 1003, 1004 VV gegeben ist, kann mitunter schwierig und sogar strittig sein. Das nachfolgende Stichwort-ABC soll eine Übersicht über die einzelnen Fallkonstellationen geben.
Mischfälle
Zu beachten ist, dass für verschiedene Gegenstände derselben Angelegenheit unterschiedliche Gebührensätze gelten können (sog. Mischfälle). In diesen Fällen ist für jeden Gegenstand der Gebührensatz zunächst gesondert zu ermitteln und jeweils eine Teilgebühr daraus zu berechnen. Zu beachten ist dann, dass die Summe der Teilgebühren den Betrag einer Gebühr aus dem Gesamtwert nach dem höchsten Gebührensatz nicht übersteigen darf.
B. Einzelfälle
Adhäsionsverfahren. Ist der Gegenstand in einem erstinstanzlichen Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. StPO) anhängig, so entsteht nur die 1,0-Gebühr nach Nr. 1003 VV. Das Gleiche gilt, wenn zivilrechtliche Ansprüche erstmals im Berufungsverfahren geltend gemacht werden (analog Anm. Abs. 1 zu VV 4143). Dabei bleibt es auch, wenn Beschwerde (§ 406a Abs. 1 S. 1 StPO) gegen den Beschluss nach § 406 Abs. 5 S. 2 StPO erhoben worden ist.
Ist dagegen ein Berufungs- oder Revisionsverfahren über die geltend gemachten Ansprüche anhängig, entsteht die Einigungsgebühr zu 1,3 (Nr. 1004 VV).
Soweit im Adhäsionsverfahren nicht anhängige Forderungen mit in eine Einigung einbezogen werden, entsteht insoweit die 1,5-Gebühr nach Nr. 1000 VV, wobei § 15 Abs. 3 RVG zu beachten ist (a.A. OLG Nürnberg AGS 2014 m. abl. Anm. N. Schneider = AnwBl 2014, 93 = StraFo 2014, 37 = JurBüro 2014, 135 = RVGreport 2014, 72 = NStZ-RR 2014, 63 = RVGprof. 2014, 97).
Arrest und einstweilige Verfügung. Soweit der Gegenstand der Einigung in einem Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren anhängig ist, führt dies zur Reduzierung der Einigungsgebühr.
Ist das Arrest- oder das einstweilige Verfügungsverfahren erstinstanzlich anhängig, greift Nr. 1003 VV. Es gilt ein Gebührensatz von 1,0. Das gilt auch dann, wenn das Berufungs- oder Beschwerdegericht nach § 943 ZPO erstinstanzlich zuständig ist (entsprechend Vorbem. 3.2 Abs. 2 S. 1 VV).
Ebenso bleibt es nach Nr. 1003 VV bei 1,0 in einem Verfahren über die sofortige Beschwerde gegen den Nichterlass eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung. Das gilt selbst dann, wenn das Beschwerdegericht Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt (arg. e Nr. 3514 VV).
Im Verfahren über die Berufung gegen ein Urteil in einem Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren beträgt die Einigungsgebühr dagegen 1,3 (Nr. 1004 VV). Gleiches gilt für die Beschwerde nach § 58 FamFG gegen einen Arrestbeschluss in Familienstreitsachen.
Mehrvergleich auch über Hauptsache
Einigen sich die Parteien oder Beteiligten in einem Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren über nicht anhängige Gegenstände, fällt insoweit eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV an. Das gilt auch dann, wenn die nicht anhängige Hauptsache mit verglichen wird. War die Hauptsache dagegen bereits anhängig, entsteht insoweit nur der geringere Satz nach den Nrn. 1003, 1...