Leitsatz
Ist einem Ehegatten für das Scheidungsverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden und wird anschließend eine Folgenvereinbarung geschlossen, dann erstreckt sich die Verfahrenskostenhilfe gem. § 48 Abs. 3 RVG auch auf die Terminsgebühr aus dem Mehrwert.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.7.2009 – 2 WF 33/09
I. Der Fall
Der Anwalt war in einem Scheidungsverbundverfahren einem der Ehegatten im Wege der damaligen Prozesskostenhilfe (jetzt Verfahrenskostenhilfe) beigeordnet worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten sodann einen Vergleich geschlossen, mit dem nicht anhängige Folgesachen erledigt wurden. Der Anwalt beantragte daraufhin die Festsetzung seiner Vergütung, darunter auch einer 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert von Scheidungsverfahren und Vergleich. Das Gericht hat lediglich eine Terminsgebühr aus dem Wert des Scheidungsverfahrens festgesetzt. Eine Terminsgebühr hat es abgelehnt. Zwar erstrecke sich die Prozesskostenhilfe nach § 48 Abs. 3 RVG auch auf den Abschluss eines Vergleichs über die dort genannten weiteren Familiensachen; dies gelte jedoch nur für die Verfahrens- und die Einigungsgebühr, nicht aber auch für die Terminsgebühr.
Die dagegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Prozesskostenhilfe erstreckt sich auch auf Terminsgebühr
Das OLG Karlsruhe geht davon aus, dass § 48 Abs. 3 RVG eine umfassende Erstreckung der Prozesskostenhilfe und der Beiordnung beinhalte und sich nicht nur auf die Verfahrens- und die Einigungsgebühr beschränke. Anderenfalls wäre die bedürftige Partei nämlich gehindert, einen solchen Vergleich zur Verfahrenserledigung abzuschließen, weil sie die Terminsgebühr aus dem Mehrwert aus der eigenen Tasche zahlen müsse, dazu jedoch nicht in der Lage sei.
III. Der Praxistipp
Bei Scheidungsfolgenvergleich entsteht immer eine Terminsgebühr
Wird in einem Scheidungsverbundverfahren ein Vergleich auch über nicht anhängige weitere Gegenstände geschlossen, so entsteht immer eine Terminsgebühr.
- Entweder wird die Einigung im Termin ausgehandelt, dann entsteht die Terminsgebühr bereits nach Vorbem. 3 Abs. 3, 1. und 3. Var. VV;
- oder es wird ein schriftlicher Vergleich geschlossen, dann greift Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV, da im Scheidungsverfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 2 ZPO).
Scheidungsfolgenvergleich ist von der Prozesskostenhilfe gedeckt
Wird in einem Scheidungsverfahren ein Vergleich auch über
- den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten,
- den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander,
- die Sorge der Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder,
- die Regelung des Umgangs mit einem Kind,
- die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung,
- die Rechtsverhältnisse am Haushalt oder
- Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht
geschlossen, dann erstreckt sich nach § 48 Abs. 3 RVG die in der Ehesache bewilligte Verfahrenskostenhilfe hierauf, ohne dass es einer ausdrücklichen Erstreckung bedarf. Im Gegensatz zu § 48 Abs. 4 S. 2 RVG ist insoweit nicht einmal eine Einschränkung durch das Gericht möglich.
Nach zwischenzeitlich ganz überwiegender Rspr. erstreckt sich in diesen Fällen die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung des Anwalts auch auf eine durch den Abschluss des Vergleichs entstehende Terminsgebühr:
- OLG Nürnberg AGS 2009, 331 = OLGR 2009, 684,
- OLG Karlsruhe OLGR 2009, 639 = FuR 2009, 636 = MDR 2009, 1253 = JurBüro 2009, 590 = FamRZ 2009, 2114 = Rpfleger 2010, 29 = NJW 2010, 1383 = FPR 2010, 364 = FF 2010, 85,
- OLG Bamberg AGS 2010, 141 = JurBüro 2009, 591= FamRZ 2010, 231,
- OLG Koblenz AGS 2006, 349 = JurBüro 2006, 473 = OLGR 2006, 895 = AnwBl 2006, 587 = FamRZ 2006, 1691 = MDR 2007, 182,
- OLG Köln AGS 2007, 547 = FamRZ 2008, 707 = OLGR 2008, 367 = NJW-Spezial 2007, 523,
- OLG Saarbrücken AGS 2009, 77 = NJW 2008, 3150 = OLGR 2008, 823 = FamRZ 2009, 143 = RVGreport 2008, 384,
- OLG Stuttgart AGS 2008, 353 = AnwBl 2008, 303 = FamRZ 2008, 1010 = JurBüro 2008, 306 = Rpfleger 2008, 368 = OLGR 2008, 501 = MDR 2008, 1067 = Justiz 2008, 367,
- AG Marburg AGS 2007, 510.
Nach der Gegenauffassung ist eine gesonderte Bewilligung für die Terminsgebühr erforderlich
Nach a.A. deckt § 48 Abs. 3 RVG dagegen nur die Verfahrens- und die Einigungsgebühr ab.
- OLG München AGS 2009, 503 = OLGR 2009, 604 = JurBüro 2009, 478 = NJW-RR 2009, 1367 = FamRZ 2009, 1779 = MDR 2009, 1315; OLGR 2009, 530,
- AG Westerburg, Beschl. v. 20. 1. 2010 – 21 C 262/06.
In diesen Fällen ist daher ein gesonderter Beschluss erforderlich, der die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf das Aushandeln des Vergleichs und die damit verbundene Terminsgebühr erstreckt.
Im Verbundverfahren (Werte: Ehesache 6.000,00 EUR, Versorgungsausgleich 1.200,00 EUR) einigen sich die Beteiligten im gerichtlichen Termin unter Mitwirkung ihrer Anwälte nach Verhandlungen über den Versorgungsausgleich und den nicht anhängigen Zugewinn (Wert: 10.000,00 EUR).
Aus der Landeskasse erhält der Anwalt zunächst eine 1,3-Verfahrensgebühr a...