Immer wieder wird an uns die Frage gestellt, ob die Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV auch auf eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV anzurechnen sei.
Anrechnung auch auf ermäßigte Verfahrensgebühr
Nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV ist bei Abrechnung nach Wertgebühren eine Geschäftsgebühr hälftig, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden Verfahrens anzurechnen. Eine Beschränkung, dass nur auf bestimmte Verfahrensgebühren anzurechnen sei, enthält das Gesetz nicht. Anzurechnen ist immer auf die erste Verfahrensgebühr, die der außergerichtlichen Vertretung nachfolgt. Daher ist es unerheblich, ob die nachfolgende Verfahrensgebühr in voller Höhe oder in ermäßigter Höhe entsteht. Dies hat i.Ü. der BGH bereits seit langem entschieden.
Die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr ist auch auf die verminderte Verfahrensgebühr anteilig anzurechnen.
BGH, Urt. v. 25.9.2008 – IX ZR 133/07, AGS 2008, 539 = NJW 2008, 3641 = FamRZ 2008, 2196 = JurBüro 2008, 642 = MDR 2009, 112 = Rpfleger 2009, 111 = BGHReport 2009, 155 = VersR 2009, 415 = NJW-Spezial 2009, 27 = FamRB 2009, 7 = RVGreport 2008, 455 = Info M 2009, 245
Ermäßigte Gebühr ist Verfahrensgebühr
Hintergrund der irrtümlichen Annahme, es sei nicht anzurechnen, ist wohl die Auffassung, bei der ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV handele es sich um eine andere Gebühr als um die volle Gebühr nach Nr. 3100 VV. Dies ist jedoch unzutreffend. Die Gebühr entsteht in beiden Fällen aus der Nr. 3100 VV. Im Falle einer vorzeitigen Erledigung ermäßigt sich lediglich die Gebühr der Nr. 3100 VV auf einen Gebührensatz von 0,8. Daher ist die Geschäftsgebühr – wie in allen anderen Fällen auch – hier anzurechnen.
Beispiel: Anrechnung bei vorzeitiger Erledigung
Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber eine Forderung i.H.v. 8.000,00 EUR geltend. Die außergerichtlichen Verhandlungen scheitern, so dass er daraufhin den Auftrag zur Klageerhebung erhält. Vor Einreichung der Klage zahlt der Schuldner die 8.000,00 EUR, so dass die Klage nicht mehr erhoben wird.
Im Rechtsstreit entsteht jetzt Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV nach nur i.H.v. 0,8 (Nr. 3101 Nr. 1 VV). Auf diese Gebühr ist die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen, so dass also von der Verfahrensgebühr letztlich nur 0,05 verbleiben.
I. Außergerichtliche Vertretung |
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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684,00 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
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704,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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133,76 EUR |
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Gesamt |
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837,76 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren |
1. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 1 VV |
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364,80 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
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– 342,00 EUR |
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0,75 aus 8.000,00 EUR |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
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42,80 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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8,13 EUR |
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Gesamt |
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50,93 EUR |
AGKompakt 12/2018, S. 122