I. Überblick
Hinsichtlich seines Vergütungsanspruchs muss der Anwalt mehrere Phasen bzw. Zeitpunkte beachten:
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das Entstehen des Vergütungsanspruchs, |
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den Eintritt der Fälligkeit, |
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den Beginn der Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs, |
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den Beginn der Verjährungsfrist und |
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den Ablauf der Verjährungsfrist. |
II. Entstehen des Vergütungsanspruchs
Vergütungsanspruch entsteht mit Erfüllung des Gebühren- oder Auslagentatbestands
Der Vergütungsanspruch entsteht, sobald ein Gebühren- oder Auslagentatbestand des Vergütungsverzeichnisses verwirklicht worden ist. Mit seinem Entstehen ist der Vergütungsanspruch aber noch nicht fällig (§ 8 Abs. 1 RVG) und erst recht nicht durchsetzbar (§ 10 RVG). Der Anwalt kann in dieser Phase daher lediglich Vorschüsse nach § 9 RVG verlangen.
III. Fälligkeit des Vergütungsanspruchs
1. Überblick
Fälligkeit ist für jede Angelegenheit gesondert festzustellen
Erst mit Fälligkeit kann der Anwalt seine (endgültige) Vergütung abrechnen und geltend machen. Zu beachten ist dabei, dass die Fälligkeit für jede Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG gesondert festzustellen ist.
Beispiel 1
Der Anwalt war im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und im anschließenden Hauptverfahren vor dem AG als Verteidiger tätig.
Da es sich bei der Verteidigung im Ermittlungsverfahren und der anschließenden Verteidigung im gerichtlichen Verfahren um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt (§ 17 Nr. 10a RVG), tritt auch die Fälligkeit der Vergütung für das vorbereitende Verfahren und das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren gesondert ein.
Beispiel 2
Der Anwalt war im Jahr 2012 außergerichtlich tätig und hatte noch im Dezember 2012 Klageauftrag erhalten. Das gerichtliche Verfahren zog sich über mehrere Jahre hinweg und wurde schließlich im Januar 2015 entschieden.
Da es sich bei der außergerichtlichen Tätigkeit und der Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG handelt, tritt die Fälligkeit gesondert ein. Die Vergütung für die außergerichtliche Tätigkeit ist im Dezember 2012 fällig geworden, die für das gerichtliche Verfahren dagegen erst im Januar 2015.
Bedeutung hat die Fälligkeit hier insbesondere für die Frage der Verjährung (s.u. V.). Während die Vergütung für das gerichtliche Verfahren erst mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt, ist die Verjährung der Vergütung für die außergerichtliche Vertretung bereits mit Ablauf des Jahres 2015 eingetreten.
Fälligkeit kann abweichend vereinbart werden
Abweichend von der gesetzlichen Regelung können Anwalt und Auftraggeber über die Fälligkeit der Vergütung eine Vereinbarung treffen. Diese Vereinbarung geht dann der Vorschrift des § 8 Abs. 1 RVG vor. Eine solche Vereinbarung muss nicht den Formerfordernissen des § 3a Abs. 1 RVG entsprechen, da sie nicht zu einer höheren Vergütung als der gesetzlichen führt (BGH AGS 2004, 440 = NJW-RR 2004, 1145 = MDR 2004, 845).
2. Generelle Fälligkeitstatbestände für alle Angelegenheiten
a) Überblick
RVG sieht fünf Fälligkeitstatbestände vor
Die Vergütung des Anwalts wird in Abweichung zu § 271 BGB nicht sofort fällig, sondern erst unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 RVG. Diese Vorschrift enthält insgesamt fünf Fälligkeitstatbestände. Für den Eintritt der Fälligkeit genügt es, dass einer dieser Tatbestände erfüllt ist. Es können selbstverständlich auch kumulativ mehrere Fälligkeitstatbestände ausgelöst werden. Maßgebend ist dann der Fälligkeitstatbestand, der als erster verwirklicht worden ist (BGH AnwBl 1985, 257; BGH NJW-RR 1992, 255).
In allen Angelegenheiten tritt nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG Fälligkeit ein, wenn
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der Auftrag erledigt (1. Alt.) oder |
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die Angelegenheit beendet (2. Alt.) ist. |
b) Erledigung des Auftrags
Erledigung bei Erfüllung des Auftrags
Erledigt ist der Auftrag, wenn der Rechtsanwalt seinen Verpflichtungen aus dem Anwaltsvertrag vollständig nachgekommen ist (AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 19).
Erledigung bei Unmöglichkeit
Des Weiteren tritt eine Erledigung ein, wenn dem Anwalt die Fortsetzung seiner geschuldeten Tätigkeit unmöglich wird, also etwa bei Rückgabe oder Entzug seiner Zulassung (AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 25).
Der Auftrag kann sich ferner auch dann erledigen, wenn er anderweitig aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr durchführbar ist, etwa im Scheidungsverfahren durch den Tod des Ehegatten (siehe § 131 FamFG).
Tod des Anwalts oder des Mandanten
Der Auftrag erledigt sich ferner durch den Tod des Anwalts, es sei denn, er war Mitglied einer Sozietät und der Auftrag war allen Sozien erteilt oder für ihn wird ein Abwickler nach § 55 BRAO bestellt (AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 27). Durch den Tod des Auftraggebers erledigt sich der Auftrag im Zweifel nicht; es gilt § 672 S. 1 BGB (OLG Hamm JurBüro 1977, 350; AnwK-RVG/N. Schneider, § 8 Rn 28).
Kenntnis des Anwalts erforderlich
Voraussetzung des Eintritts der Fälligkeit nach § 8 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. RVG ist, dass der Anwalt von der Erledigung Kenntnis erlangt (AG Waiblingen AnwBl 1999, 705). Erst mit Kenntnis der Erledigung kann er abrechnen, so dass auch erst dann die Fälligkeit eintritt.
Beispiel 3
Der Anwalt war im Jahr 2012 mit der rechtlichen Betreuung und Vorbereitung eines Wohnungsverkaufs beauftragt worden. Während des M...