Leitsatz
Die vom Schädiger zu ersetzenden Anwaltskosten nach Regulierung eines Verkehrsunfallschadens bemessen sich nach dem Erledigungswert. Dieser Wert bemisst sich nach der Höhe der bei Auftragserteilung berechtigten Schadensersatzansprüche. Eine spätere Zahlung des Kaskoversicherers, die zur Reduzierung der Schadensersatzansprüche führt, hat keine Auswirkungen auf die zu erstattenden Kosten.
AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 17.11.2016 – 810 C 558/15
1 Der Fall
Mandant nimmt nachträglich Kaskoversicherer in Anspruch
Der Geschädigte hatte seinen Anwalt beauftragt, Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall beim gegnerischen Versicherer geltend zu machen. Da sich die Regulierung verzögerte, nahm der Geschädigte wegen der Reparaturkosten seinen Kaskoversicherer in Anspruch. Der Haftpflichtversicherer regulierte dann später den restlichen Schaden. Daraufhin verlangte der Geschädigte noch Ersatz seiner vorgerichtlichen Kosten, die er nach dem vollen Wert aller Schadensersatzansprüche berechnete. Der Haftpflichtversicherer war der Auffassung, beim Erledigungswert sei die Zahlung des Kaskoversicherers zuvor abzuziehen, und zahlte die Anwaltskosten nur nach einem geringeren Wert. Die daraufhin erhobene Klage hatte Erfolg.
2 Die Entscheidung
Zahlung des Kaskoversicherers mindert nicht den Erledigungswert
Weiterhin kann der Kläger Zahlungen weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren als notwendige Rechtsverfolgungskosten beanspruchen. Die Höhe richtet sich nach dem berechtigten Gegenstandswert zum Zeitpunkt der Erteilung des unbeschränkten Auftrags, die aus dem Unfall resultierenden Schäden geltend zu machen. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger auch die Erstattung der notwendigen Reparaturkosten von der Beklagten verlangen. Die spätere Zahlung seitens seines Vollkaskoversicherers ändert an dem ursprünglich erteilten Auftrag, den gesamten (eigenen und im Rahmen der Ermächtigung fremden) Schaden gegenüber der Beklagten geltend zu machen, nichts. Ebenso wenig werden die bereits entstandenen Gebührenansprüche durch die Zahlung des Vollkaskoversicherers auf die Reparaturkosten und den hierauf beschränkten gesetzlichen Anspruchsübergang berührt.
3 Praxistipp
Anspruch war berechtigt und bleibt als solcher bestehen
Die Entscheidung ist zutreffend. Zwar reduziert sich durch die Zahlung des Kaskoversicherers die an den Geschädigten zu erbringende Leistung des Haftpflichtversicherers. Allerdings ändert die Zahlung des Kaskoversicherers nichts daran, dass die geltend gemachten Haftpflichtansprüche bei Auftragserteilung berechtigt waren und auch später berechtigt bleiben. Sie stehen jetzt lediglich nicht mehr der Geschädigten zu, sondern sind nach § 86 Abs. 1 VVG auf den Kaskoversicherer übergegangen. Ungeachtet dessen, steht dem Geschädigten in gleicher Höhe immer noch ein Freistellungsanspruch zu. Nachträgliche Zahlungen des Kaskoversicherers berühren den Erledigungswert also nicht (ebenso LG Arnsberg AGS 2016, 290).
Beispiel
Der Anwalt wird beauftragt, Reparaturkosten i.H.v. 3.000,00 EUR sowie 500,00 EUR Nutzungsentschädigung und 25,00 EUR Kostenpauschale geltend zu machen. Da der Versicherer die Regulierung verzögert, nimmt der Geschädigte seinen Kaskoversicherer in Anspruch, der daraufhin abzüglich der Selbstbeteiligung von 300,00 EUR einen Betrag i.H.v. 2.700,00 EUR auf die Reparaturkosten zahlt. Der gegnerische Haftpflichtversicherer reguliert dann nur noch die restlichen 825,00 EUR.
Ungeachtet dessen, dass der Haftpflichtversicherer an den Geschädigten nur 825,00 EUR bezahlt hat, beläuft sich der Erledigungswert auf 3.525,00 EUR, da dies die Summe ist, die den berechtigten Ansprüchen entspricht.
AGKompakt 3/2018, S. 26