Bei Aufhebung und Zurückverweisung entsteht neue Angelegenheit

Hebt ein Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz auf und verweist es das Verfahren an das vorinstanzliche Gericht zurück (z.B. nach § 538 Abs. 2 ZPO oder § 69 Abs. 1 S. 2 oder 3 FamFG), liegt ein Fall des § 21 Abs. 1 RVG vor (Ausnahme im Scheidungsverbundverfahren – § 21 Abs. 2 RVG). Das Verfahren nach Zurückverweisung ist dann eine neue Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, in der alle Gebühren und auch Auslagen erneut entstehen können.

Verfahrensgebühr ist anzurechnen

Lediglich hinsichtlich der Verfahrensgebühr ist eine Anrechnung vorgesehen (Vorbem. 3 Abs. 6 VV), wenn an ein Gericht zurückverwiesen wird, das mit der Sache bereits befasst war.

 

Beispiel 1: Zurückverweisung

Das LG hatte den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 10.000,00 EUR verurteilt. Auf die Berufung hin hebt das OLG das Urteil des LG auf und verweist die Sache an das LG zur erneuten Entscheidung zurück.

Das Verfahren nach Zurückverweisung stellt eine neue Angelegenheit dar (§ 21 Abs. 1 RVG). Dort fallen die Gebühren erneut an. Auch entsteht eine gesonderte Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV.

Allerdings wird die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Verfahrens nach Zurückverweisung angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 6 VV).

I. Verfahren vor Zurückverweisung (Wert: 10.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    631,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV    583,20 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.235,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   234,65 EUR
Gesamt 1.469,65 EUR

II. Verfahren nach Zurückverweisung (Wert: 10.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   631,80 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 6 VV anzurechnen,    
  1,3 aus 10.000,00 EUR   -631,80 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   583,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 603,20 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   114,61 EUR
Gesamt 717,81 EUR

Wird nur teilweise zurückverwiesen, so ist auch nur teilweise anzurechnen.

 

Beispiel 2: Teilweise Zurückverweisung

Das LG hatte den Beklagten zur Zahlung von 10.000,00 EUR verurteilt. Auf die Berufung hebt das OLG das Urteil des LG in Höhe von 6.000,00 EUR auf und verweist die Sache an das LG zur erneuten Entscheidung zurück.

Auch hier stellt das Verfahren nach Zurückverweisung eine neue Angelegenheit dar (§ 21 Abs. 1 RVG). Die Gebühren im Verfahren nach Zurückverweisung entstehen jetzt allerdings nur aus dem geringeren Wert von 6.000,00 EUR. Nur nach diesem Wert wird die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 6 VV).

I. Verfahren vor Zurückverweisung (Wert: 10.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    631,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV    583,20 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.235,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   234,65 EUR
Gesamt 1.469,65 EUR

II. Verfahren nach Zurückverweisung (Wert: 6.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   439,40 EUR
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 6 VV anzurechnen,    
  1,3 aus 6.000,00 EUR   -439,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   405,60 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 425,60 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   80,86 EUR
Gesamt 506,46 EUR

Bei Zurückverweisung nach Teilanfechtung ist ebenfalls nur teilweise anzurechnen

Ebenso zu rechnen ist, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt wird oder wenn erstinstanzlich nur eine teilweise Verurteilung erfolgt ist und das Rechtsmittelgericht aufhebt und zurückverweist.

 

Beispiel 3: Teilweise Berufung und Zurückverweisung

Das LG hatte den Beklagten zur Zahlung von 10.000,00 EUR verurteilt. Der Beklagte legt in Höhe von 6.000,00 EUR Berufung ein. Das OLG hebt insoweit das Urteil des LG auf und verweist die Sache an das LG zurück.

Es ist ebenso zu rechnen wie im vorangegangenen Beispiel 2.

 

Beispiel 4: Teilweise Verurteilung, Berufung mit Zurückverweisung

Auf die Klage über 10.000,00 EUR hatte das LG den Beklagten zur Zahlung von 6.000,00 EUR verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung hebt das OLG das Urteil des LG in Höhe von 6.000,00 EUR auf und verweist die Sache insoweit an das LG zurück.

Auch hier liegt eine Zurückverweisung nur in Höhe von 6.000,00 EUR vor, sodass nur nach diesem Wert die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens angerechnet wird. Zu rechnen ist wie in Beispiel 2.

Anrechnung richtet sich nur nach dem Wert der Zurückverweisung

Möglich ist nicht nur eine Reduzierung des Gegenstandswertes zwischen Ausgangsverfahren und Verfahren nach Zurückverweisung, sondern auch eine Erhöhung des Gegenstandswertes infolge Klageerweiterung. In diesem Fall bleibt es bei zwei verschiedenen Angelegenheiten. Allerdings ist eine Anrechnung nur vorzunehmen, soweit die Gegenstände identisch sind.

 

Beispiel 5: Klageerweiterung nach Zurückverweisung

Gegen die Abweisung der Klage in Höhe von 10.000,00 EUR hatte der Kläger Berufung eingelegt und ...

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