I. Überblick
Mehrvergleich löst höhere Gebühren aus
Werden in einem gerichtlichen Verfahren Gegenstände mit verglichen, die in einem anderen gerichtlichen Verfahren anhängig sind, so wirkt sich dieser Mehrwert auf die Gebühren des Verfahrens aus, in dem der Vergleich geschlossen wird. Andererseits sind dann aber auch Anrechnungsvorschriften zu beachten, die verhindern sollen, dass der Anwalt aus denselben Gegenständen (in dem anderen Verfahren) doppelt vergütet wird.
Wird ein solcher Mehrwertvergleich über Gegenstände geschlossen, die in einem anderen gerichtlichen Verfahren anhängig sind, entsteht in dem Verfahren, in dem der Mehrvergleich geschlossen wird, zunächst eine zusätzliche Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV aus dem Mehrwert, allerdings unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG.
Soweit die Einigung in einem Termin geschlossen wird, entsteht auch die Terminsgebühr aus dem Mehrwert. Gleiches gilt bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs, wenn in dem Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen wird, eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV).
Darüber hinaus entsteht aus dem Mehrwert auch die Einigungsgebühr, wobei gegebenenfalls ein anderer Gebührensatz gilt, sodass auch hier nach § 15 Abs. 3 RVG zu kürzen sein kann.
Anrechnung im mit verglichenen Verfahren
Zu beachten sind in diesem Fall die Anrechnungsvorschriften
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für die Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV; Anm. Abs. 1 S. 2 zu Nr. 3202 VV; Anm. zu 3207 VV i.V.m. Anm. Abs. 1 S. 2 zu Nr. 3201 VV und |
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für die Terminsgebühr nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV; Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 i.V.m. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV; Anm. zu Nr. 3210 VV i.V.m. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV. |
Danach sind die durch die Einbeziehung anfallenden Mehrgebühren in dem einbezogenen Verfahren anzurechnen.
Keine weitere Vergütung im einbezogenen Verfahren
In dem einbezogenen Verfahren entstehen aufgrund des Vergleichs dagegen keine weiteren Gebühren. Insbesondere wird dort durch den Vergleich keine Terminsgebühr ausgelöst (BAG AGS 2014, 213; OLG Stuttgart AGS 2005, 256 = JurBüro 2005, 303 = NJW-RR 2005, 940 = MDR 2005, 838 = OLGR 2005, 559 = Justiz 2005, 327 = MittdtschPatAnw 2006, 330; OLG Frankfurt AGS 2008, 224 = OLGR 2008, 576 = NJW-Spezial 2008, 348; OLG Köln AGS 2012, 62). Auch eine Einigungsgebühr fällt dort nicht an.
II. Einigung in einem erstinstanzliche Verfahren
1. Anrechnung der Verfahrensgebühr
a) Überblick
Verfahrensdifferenzgebühr ist anzurechnen
Nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV wird die Verfahrensdifferenzgebühr der Nr. 3101 Nr. 2 VV (gegebenenfalls der davon nach § 15 Abs. 3 RVG verbleibende Betrag) auf die Verfahrensgebühr angerechnet, die wegen desselben Gegenstands in einer anderen Angelegenheit entsteht bzw. entstanden ist. Kommt es nicht zu einer Kürzung nach § 15 Abs. 3 RVG, ist die 0,8-Verfahrensgebühr aus Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV insgesamt anzurechnen, anderenfalls der nach der Kürzung gem. § 15 Abs. 3 RVG verbleibende Mehrbetrag. Anzurechnen ist in beiden Fällen nach folgender Formel:
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1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert der anhängigen Gegenstände |
+ |
0,8-Verfahrensgebühr aus dem Wert der nicht anhängigen Gegenstände |
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gegebenenfalls nach § 15 Abs. 3 RVG gekürzt |
– |
1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert der anhängigen Gegenstände |
= |
anzurechnender Betrag |
Bei mehreren Auftraggebern ist mit den entsprechenden erhöhten Gebührensätzen (Nr. 1008 VV) zu rechnen, also z.B. bei zwei Auftraggebern mit 1,6 und 1,1.
b) Anrechnung bei Mitvergleichen eines anderen erstinstanzlichen Verfahrens
aa) Keine Kürzung nach § 15 Abs. 3 RVG
Beispiel
In einem Rechtsstreit (1/14) über 5.000,00 EUR verhandeln die Parteien unter Mitwirkung ihrer Anwälte im Termin über die Klageforderung und über weitergehende 10.000,00 EUR, die in einem anderen Verfahren (2/14) anhängig sind, und schließen einen Gesamtvergleich, der beide Verfahren erledigt.
Im Verfahren 1/14 entsteht neben den Gebühren aus 5.000,00 EUR auch eine Verfahrensdifferenzgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV aus dem Mehrwert von 10.000,00 EUR.
Darüber hinaus entsteht die Terminsgebühr aus dem Gesamtwert beider Verfahren, also in Höhe von 15.000,00 EUR. Durch den Mehrwertvergleich entsteht die Terminsgebühr nur in dem Verfahren, in dem die anderweitig anhängigen Gegenstände einbezogen werden, nicht auch in dem Verfahren, das einbezogen worden ist. Dort kann allerdings die Terminsgebühr schon früher angefallen sein (s.u.).
Die Einigungsgebühr beträgt durchweg 1,0, da alle Gegenstände erstinstanzlich anhängig sind (Nr. 1003 VV). Es entsteht auch hier nur eine Gebühr in dem Verfahren, in dem die Einigung geschlossen worden ist.
I. Verfahren 1/14
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 5.000,00 EUR) |
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393,90 EUR |
2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
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446,40 EUR |
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die Begrenzung des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,3 aus 15.000,00 EUR (845,00 EUR) wird nicht überschritten |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 15.000,00 EUR) |
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780,00 EUR |
4. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV (Wert: 15.000,00 EUR) |
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650,00 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.290,30 EUR |
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6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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435,16 EUR |
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Gesamt |
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2.725,46 EUR |