I. Einleitung
Ermäßigung der Terminsgebühr in allen Instanzen möglich
Für den Fall der Säumnis einer Partei sieht das Vergütungsverzeichnis in allen drei Instanzen eine Ermäßigung der jeweiligen Terminsgebühr vor (Nrn. 3105, 3203, 3211 VV). Die Ermäßigung tritt allerdings nicht schon allein aufgrund der Säumnis der Gegenpartei ein, sondern ist noch an weitere Voraussetzungen geknüpft. In manchen Fällen entsteht daher trotz der Säumnis des Gegners eine volle Terminsgebühr.
II. Versäumnisurteil gegen den nicht erschienenen Gegner
Ermäßigte Terminsgebühr bei Versäumnisurteil
Erscheint der Gegner nicht und wird lediglich ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt, entsteht nach Nr. 3105 VV nur die ermäßigte Terminsgebühr.
Beispiel 1
Im Termin zur mündlichen Verhandlung (Streitwert 8.000,00 EUR) erscheint der Beklagte nicht. Der Kläger beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils, das dann auch ergeht.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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592,80 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV |
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228,00 EUR |
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(Wert: 8.000,000 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
840,80 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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159,75 EUR |
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Gesamt |
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1.000,55 EUR |
III. Antrag oder Entscheidung zur Prozess- und Sachleitung bei Nichterscheinen des Gegners
Ermäßigte Terminsgebühr bei Antrag oder Entscheidung zur Prozess- und Sachleitung
Ebenso entsteht nur die ermäßigte Terminsgebühr, wenn bei Säumnis des Gegners kein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils, sondern ein Antrag zur Prozess- und Sachleitung gestellt wird, oder wenn das Gericht von Amts wegen eine Entscheidung zur Prozess- und Sachleitung trifft (Anm. Abs. 1 zu Nr. 3105 VV).
Beispiel 2
Im Termin zur mündlichen Verhandlung (Streitwert 8.000,00 EUR) erscheint der Beklagte nicht.
a) Der Kläger beantragt Vertagung.
b) Der Kläger stellt keinen Antrag. Das Gericht beschließt das Ruhen des Verfahrens.
Es entsteht lediglich eine 0,5-Terminsgebühr. Abzurechnen ist wie im Beispiel 1.
IV. Versäumnisurteil gegen den erschienenen Gegner, der keinen Antrag stellt
Keine Ermäßigung, wenn Gegner erscheint
Erscheint der Gegner oder Gegenanwalt, erklärt er aber, er trete nicht auf und stelle keinen Antrag, so dass daraufhin der Erlass eines Versäumnisurteils beantragt wird, liegt der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3105 VV nicht vor, da der Gegner zum Termin erschienen, bzw. im Termin vertreten ist. Dass er keinen Antrag stellt, ist unerheblich. Das RVG fordert für das Entstehen der vollen Terminsgebühr nur, dass der Anwalt vertretungsbereit im Termin erscheint. Ein Antrag, ein Verhandeln oder ein Erörtern ist nicht erforderlich. Dies ergibt sich i.Ü. ausdrücklich aus dem Wortlaut der Nr. 3105 VV, die das Nichterscheinen zur Tatbestandsvoraussetzung macht (KG AGS 2006, 117 = JurBüro 2006, 134 = RVGreport 2006, 66; OLG Koblenz AGS 2005, 190 = NJW 2005, 1955 = JurBüro 2005, 360 = AnwBl 2005, 432 = FamRZ 2005, 1849 = RVGreport 2005, 231; OLG Köln AGS 2008, 439 = RVGreport 2008, 306). Zudem ist in Anm. Abs. 2 zu Nr. 3105 VV ausdrücklich angeordnet, dass die Vorschrift des § 333 ZPO, wonach die nicht verhandelnde Partei als nicht erschienen gilt, nicht entsprechend anzuwenden ist.
Beispiel 3
Der Anwalt des Beklagten erscheint im Termin zur mündlichen Verhandlung und erklärt, er trete heute nicht auf, da er der Zurückweisung seines Vorbringens als verspätet entgehen will. Sodann ergeht gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil über 10.000,00 EUR.
Da die Reduzierung nach Nr. 3105 VV nur eintritt, wenn der Beklagte nicht erschienen und auch nicht ordnungsgemäß vertreten ist, fällt jetzt die volle 1,2-Terminsgebühr an.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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725,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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669,60 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.415,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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268,85 EUR |
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Gesamt |
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1.683,85 EUR |
V. Säumnis der Gegenpartei, aber Erörterung mit dem Gericht
Keine Ermäßigung bei Erörterung mit dem Gericht
Erscheint weder der Gegner noch ein Vertreter für diesen, erörtert aber das Gericht zunächst mit dem erschienenen Anwalt, bevor der Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils gestellt wird, greift der Ermäßigungstatbestand ebenfalls nicht. Voraussetzung der Ermäßigung ist, dass "lediglich" ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird. Daran fehlt es, wenn zuvor erörtert wird. Dann wird nicht "lediglich" ein Antrag gestellt. In diesem Fall entsteht also die volle 1,2-Terminsgebühr (KG AGS 2009, 60 = JurBüro 2009, 29 = RVGreport 2009, 18; LAG Hessen NZA-RR 2006, 436 = RVGreport 2006, 273; OLG Naumburg AGS 2014, 399 = JurBüro 2014, 581 = RVGreport 2014, 424; OLG Naumburg AGS 2014, 388 = JurBüro 2014, 581 = RVGreport 2014, 424; OLG Jena AGS 2015, 323 = JurBüro 2015, 521 = RVGreport 2015, 379).
Beispiel 4
Der Anwalt erhebt Klage wegen einer Forderung über 10.000,00 EUR. Der Beklagte erscheint im Termin nicht. Das Gericht hat Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage und erörtert darüber mit dem Klägervertreter. Nach Erörterung berät das Gericht und erlässt das Versäumnisurteil gegen den Beklagten.
Da hinsichtlich der gesamten Klageforderung erörtert worden ist, greift der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3105 VV n...