Anwalt am Sitz der Partei grundsätzlich erstattungsfähig
Beauftragt eine Partei einen an ihrem Sitz oder Wohnsitz niedergelassenen Anwalt, ist zunächst die Grundsatzentscheidung des BGH (AGS 2003, 97 m. Anm. Madert) zu beachten, wonach eine nicht am Gerichtsort ansässige Partei grundsätzlich einen Anwalt an ihrem eigenen Sitz oder Wohnsitz beauftragen darf und dessen Reisekosten im Obsiegensfall in voller Höhe zu erstatten sind.
Die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts ist regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO anzusehen.
BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02, AGS 2003, 97 = Rpfleger 2003, 98 = MDR 2003, 233 = FamRZ 2003, 441 = JurBüro 2003, 202 = AnwBl 2003, 309 = WM 2003, 1617 = NJW 2003, 898 = BRAK-Mitt 2003, 25 = BRAGOreport 2003, 13 = VersR 2003, 877
Diesen Grundsatz hat der BGH in ständiger Rspr. bestätigt (z.B. AGS 2004, 260 = FamRZ 2004, 939 = NJW-RR 2004, 858 = JurBüro 2004, 432 = MDR 2004, 838 = zfs 2004, 473 = DAR 2004, 674; AGS 2007, 430 = Rpfleger 2007, 286 = DAR 2007, 296 = AnwBl 2007, 466 = NJW 2007, 2048 = MDR 2007, 802 = FamRZ 2007, 636 = RVGreport 2007, 235.)
Auch die Instanzgerichte folgen dieser Rspr. Lediglich in Ausnahmefällen lehnt die Rspr. die Erstattung der Reisekosten ab, etwa wenn eine fernmündliche oder schriftliche Information des Prozessbevollmächtigten möglich gewesen wäre.
Diese Grundsätze gelten gem. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO auch für den Anwalt, der sich selbst vertritt (BGH AGS 2003, 276 = JurBüro 2003, 426 = NJW 2003, 1534 = Rpfleger 2003, 321 = MDR 2003, 656 = AnwBl 2003, 371 = VersR 2004, 668 = BRAGOreport 2003, 116 = FamRZ 2003, 1175; OLG München AGS 2012, 310 = NJW-RR 2012, 889 = MDR 2012, 939 = NJW-Spezial 2012, 380 = RVGreport 2012, 306 = FamRZ 2012, 1323). Auch er kann grundsätzlich die Reisekosten von seinem Sitz oder Wohnsitz bis zum Sitz des Gerichts geltend machen.
Keine Verweisung auf günstigeren Terminsvertreter
Eine Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten findet nicht statt. Insbesondere kann die Partei nicht darauf verwiesen werden, sie hätte einen Terminsvertreter einschalten können, sodass geringere Kosten angefallen wären (BGH NJW-RR 2005, 1662 = Rpfleger 2006, 39 = AnwBl 2005, 792 = MDR 2006, 296 = JurBüro 2006, 203 = FamRZ 2005, 2062 = RVGreport 2005, 476 = NJW-Spezial 2006, 46; AGS 2008, 204 = FamRZ 2008, 507 = AnwBl 2008, 215 = MDR 2008, 350 = Rpfleger 2008, 227 = JurBüro 2008, 258 = NJW-RR 2008, 1378 = RVGreport 2008, 112).
Keine Pflicht zur gemeinsamen Anreise
Es besteht auch keine Verpflichtung, dass die auswärtige Partei und ihr auswärtiger Anwalt zum Termin gemeinsam anreisen. Einer Partei kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte, um Kosten zu sparen, zusammen mit dem Anwalt fahren müssen. Die Kosten getrennter Anreisen sind daher erstattungsfähig.
Es gibt grundsätzlich keine Verpflichtung zur gemeinsamen Anreise von Anwalt und Mandantschaft zum Termin zum Zwecke der Kostenersparnis. Ebenso wenig wie die Partei ist der Rechtsanwalt verpflichtet, seinen Mandanten persönlich und auf eigene Kosten zu befördern. Bei den Rechtsanwaltsreisekosten und den Parteireisekosten handelt es sich um selbstständige Posten.
LG Stuttgart, Beschl. v. 2.10.2012 – 19 T 228/12, AGS 2014, 98 = RVGprof. 2014, 38