Leitsatz
In Anbetracht dessen, dass die Darlegungs- und Beweislast im Falle eines Tatbestands der Zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV für die fehlende Mitwirkung des Anwalts beim Gebührenschuldner liegt, reicht im Falle der Berufungsrücknahme die anwaltliche Versicherung, dass zwischen ihm und seiner Mandantin hierzu korrespondiert worden ist.
AG Aschaffenburg, Beschl. v. 8.8.2017 – 302 Ls 207 Js 7835/16
1 Der Fall
Die Angeklagte war erstinstanzlich vom Amtsgericht verurteilt worden. Hiergegen hatte ihre Pflichtverteidigerin Berufung eingelegt. Später wurde die Berufung von der Angeklagten selbst zurückgenommen. Die Verteidigerin rechnete daraufhin ihre Vergütung mit der Landeskasse ab, darunter auch eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV für die Rücknahme der Berufung. Die Landeskasse hat diese Gebühr abgesetzt mit der Begründung, eine Mitwirkung des Anwalts sei nicht ersichtlich. Die Berufung sei lediglich ohne Weiteres zurückgenommen worden.
Die Anwältin hat hiergegen Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, sie habe anwaltlich versichert, dass der Rücknahme der Berufung ein ausführlicher Schriftwechsel mit der Angeklagten vorausgegangen sei. Auf Grund ihrer Schweigepflicht sei es ihr nicht möglich, die entsprechenden Briefe vorzulegen. Die Anforderung an eine Tätigkeit dürften nicht überspannt werden.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Der Richter hat ihr stattgegeben.
2 Die Entscheidung
Jede auf die Rücknahme gerichtete Tätigkeit reicht aus
Nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV entsteht die Zusätzliche Gebühr, wenn der Anwalt daran mitwirkt, dass die Berufung zurückgenommen wird. Für eine Mitwirkung im Sinne dieser Vorschrift reicht nach deren Wortlaut jede Tätigkeit gegenüber dem Mandanten, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht aus, die auf den später erzielten Erfolg – hier: die wirksam erklärte Rücknahme der Berufung – gerichtet ist.
Mitwirkung wird vermutet
Nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV ist allerdings die Mitwirkung gesetzlich zu vermuten. Es ist danach Sache des Gebührenschuldners, darzulegen und zu beweisen, dass es an der erforderlichen Mitwirkung des Anwalts fehlt.
Anwaltliche Versicherung genügt
Hier hatte die Anwältin versichert, dass der Rücknahme Korrespondenz mit der Mandantin vorausgegangen sei. Damit ist das Entstehen der Gebühr glaubhaft gemacht. Da hier der Bereich anwaltlicher Schweigepflicht tangiert wird, kann eine Vorlage dieses Briefwechsels und weiterer Vortrag zum dessen Inhalt durch die Verteidigerin nicht verlangt werden.
Die Zusätzliche Gebühr war daher festzusetzen.
3 Praxistipp
Darlegungs- und Beweislast liegt beim Gebührenschuldner
Die Entscheidung ist zutreffend. Häufig wird übersehen, dass die Darlegungs- und Beweislast des Anwalts nur insoweit besteht, die Voraussetzungen des jeweiligen Tatbestands der Nr. 4141 VV nachzuweisen. Ist dies geschehen, ist es Sache des Vergütungsschuldners – und dies kann auch die Landeskasse sein –, die fehlende Mitwirkung des Anwalts darzulegen und zu beweisen. Hierzu reicht das bloße Bestreiten nicht aus.
AGKompakt, S. 87