I. Überblick
Streitwert für Gerichtsgebühr richtet sich nach dem Antrag
Wird eine gerichtliche Entscheidung nur beschränkt angefochten, so richten sich die Gerichtsgebühren nur nach dem Wert des beschränkten Antrags (§ 47 Abs. 1 S. 1 RVG). Hinsichtlich der anwaltlichen Verfahrensgebühr ist dagegen zu differenzieren, wie der BGH unlängst für die Nichtzulassungsbeschwerde klargestellt hat:
Hat der Rechtsanwalt auftragsgemäß gegen ein Berufungsurteil vollumfänglich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese aufgrund einer Rechtsprüfung nachfolgend beschränkt, richtet sich der Gegenstandswert für die Verfahrensgebühr des Anwalts nach der vollen Beschwer seines Mandanten.
BGH, Urt. v. 14.12.2017 – IX ZR 243/16, AGS 2018, 60 = NJW-Spezial 2018, 124 = RVGreport 2018, 150 = ZInsO 2018, 347 = MDR 2018, 367 u. 724 = Rpfleger 2018, 291 = JurBüro 2018, 183 = NJW-RR 2018, 700 = FamRZ 2018, 522 = RVGreport 2018, 150 = BRAK-Mitt 2018, 97
Auftragserteilung ist maßgebend
Die Erwägungen des BGH gelten aber nicht nur für die Nichtzulassungsbeschwerde, sondern für alle Rechtsmittelverfahren, auch für die Berufung. Insoweit ist zu differenzieren.
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Erteilt der Mandant von vornherein einen Auftrag, die Berufung beschränkt einzulegen, dann richtet sich die Verfahrensgebühr nur nach dem Wert der durchgeführten Berufung. Das gilt auch dann, wenn dem Anwalt zuvor ein unbeschränkter Auftrag zur Prüfung der Erfolgsaussicht des gesamten Rechtsmittels erteilt worden war und er im Rahmen dieses Auftrags vom umfassenden Rechtsmittel abgeraten hat (Beispiele 1, 2 u. 3). |
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Erteilt der Mandant dem Anwalt dagegen zunächst den Auftrag, die Berufung uneingeschränkt einzulegen, ist wiederum zu differenzieren:
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Rät der Anwalt vor Einlegung der Berufung teilweise davon ab, so dass diese nur beschränkt eingelegt und durchgeführt wird, erhält er aus dem Wert der eingelegten Berufung die volle 1,6-Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV) und aus dem Wert des abgeratenen Rechtsmittels die ermäßigte 1,1-Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV (Beispiel 4). |
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Rät der Anwalt dagegen erst nach Einlegung der Berufung teilweise davon ab, so dass diese nur beschränkt begründet und durchgeführt wird, hat dies auf die Verfahrensgebühr keinen Einfluss mehr. Sie ist mit Einlegung der Berufung bereits in voller Höhe aus dem Wert der Beschwer entstanden. Auch entsteht nicht etwa eine gesonderte Prüfungsgebühr. Die Prüfung wird nach § 19 Abs. 1 S. 1 RVG durch die Verfahrensgebühr abgegolten. Nur die weiteren Gebühren richten sich dann nach dem geringeren Wert (Beispiel 5). |
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II. Von vornherein beschränkter Berufungsauftrag
Beschränkter Gegenstandswert bei beschränktem Auftrag
Erteilt der Mandant von vornherein dem Anwalt den Auftrag, die Berufung nur beschränkt einzulegen, dann richten sich alle Gebühren im Berufungsverfahren nur nach dem Wert der durchgeführten Berufung. Insoweit stimmt der Gegenstandswert mit dem Streitwert überein.
Beispiel 1
Der Beklagte ist erstinstanzlich zur Zahlung von 50.000,00 EUR verurteilt worden. Er beauftragt den Anwalt wegen der über 20.000,00 EUR hinausgehenden Verurteilung, also wegen 30.000,00 EUR, Berufung einzulegen, was der Anwalt veranlasst. Über die Berufung wird verhandelt.
Die Verfahrens- und die Terminsgebühr berechnen sich lediglich nach dem Wert von 30.000,00 EUR.
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV |
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1.380,80 EUR |
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(Wert: 30.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV |
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1.035,60 EUR |
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(Wert: 30.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.436,40 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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462,92 EUR |
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Gesamt |
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2.899,32 EUR |
III. Umfassender Prüfungsauftrag und anschließende beschränkte Berufung
Prüfungsgebühr richtet sich nach dem vollen Wert, Verfahrensgebühr nach dem beschränkten Wert
War dem Anwalt zuvor ein unbeschränkter Auftrag zur Prüfung der Erfolgsaussicht des gesamten Rechtsmittels erteilt worden und hat er im Rahmen dieses Auftrags vom umfassenden Rechtsmittel abgeraten, so dass das Rechtsmittel auch nur in dem beschränkten Umfang durchgeführt wird, fallen im Berufungsverfahren dieselben Gebühren an.
In diesem Fall ist allerdings für die Prüfung eine gesonderte Vergütung angefallen, nämlich eine Prüfungsgebühr nach Nr. 2100 VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer. Diese Prüfungsgebühr der Nr. 2100 VV ist aus dem vollen Wert zu berechnen, da der Auftrag ja dahin ging, die Erfolgsaussicht eines unbeschränkten Rechtsmittels zu prüfen. Diese Prüfungsgebühr ist dann im Berufungsverfahren nach Anm. zu Nr. 2100 VV anzurechnen, allerdings nur aus dem Wert, nach dem die Berufung durchgeführt wird. Im Übrigen ist die Prüfungsgebühr anrechnungsfrei.
Beispiel 2
Der Antragsgegner ist erstinstanzlich zur Zahlung von 50.000,00 EUR verurteilt worden. Er beauftragt den Anwalt zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Der Anwalt prüft und rät, wegen der über 20.000,00 EUR hinausgehenden Verurteilung, also wegen 30.000,00 EUR, Berufung einzulegen, was dann auch geschieht. Über die Berufung wird mündlich verhandelt.
Zunächst erhält der Anwalt eine Prüfungsgebühr nach Nr. 2100 VV aus dem...