Immer deutlicher ist die Tendenz erkennbar, die Vergütung des Anwalts zu verkürzen, wenn der Staat dafür aufzukommen hat. So verhält es sich in Angelegenheiten der Beratungshilfe und vor allem, wenn es um die Vergütung in Prozesskostenhilfeverfahren geht. So hat das OLG Stuttgart unlängst einem Anwalt in einem wettbewerblichen Rechtsstreit die Reisekosten sowie das Tages- und Abwesenheitsgeld versagt, weil er ein örtlich entfernt liegendes Gericht angerufen habe. Damit ist die freie Ausübung des Wahlrechts (§ 35 ZPO) ausgehebelt worden. In diese Richtung gehen auch die Entscheidungen des LAG München und des ArbG München, die dem Anwalt entgegen bewilligter Prozesskostenhilfe für mehrere Klagen die Vergütung nur einmal zuerkennen.
Im Fall des LAG München ging es um Kündigungsschutzklagen gegen dasselbe Unternehmen. Mehrere Arbeitnehmer hatten den Anwalt beauftragt, sie zu vertreten und für sie Prozesskostenhilfe zu beantragen. Er reichte Bewilligungsanträge für alle bei demselben Gericht ein. In allen Fällen wurde dem Antrag unter seiner Beiordnung stattgegeben. Sodann führte er diese Prozesse durch und beantragte für jedes Klageverfahren die Festsetzung seiner PKH-Vergütung. Die wurde ihm nur für einen Fall nach dem addierten Streitwert der Verfahren bewilligt. Begründet wurde das damit, er habe gegen das Gebot kostengünstiger Prozessführung verstoßen, weil er die zehn Einzelklagen nicht durch Klagenhäufung in einem Rechtsstreit verfolgt habe.
Das OLG Schleswig-Holstein hat dazu die einzig richtige Auffassung vertreten: Wenn Prozesskostenhilfe für getrennte Prozessführung bewilligt worden sei, könne sie nicht bei der Festsetzung der Prozesskostenhilfe-Vergütung wieder eingeschränkt werden.
Das davon abweichende LAG München setzt sich mit seiner gegenteiligen Auffassung über § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO hinweg. Diese Vorschrift stellt klar, unter welchen Voraussetzungen eine Bewilligungsentscheidung (nur!) geändert werden darf. Dadurch wird auch der beigeordnete Rechtsanwalt geschützt, dem sein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nicht nachträglich entgegen diesen Vorschriften verkürzt werden darf.
Der Anwalt ist auch darin wahlfrei, wie er verfahrensrechtlich vorgehen will. Das Gebot zur sparsamen Prozessführung beeinflusst seine Entscheidungsfreiheit nicht. Es bleibt dabei, dass für den Vergütungsanspruch des Anwalts diejenigen Beschlüsse maßgebend sind, die Prozesskostenhilfe bewilligt haben (§ 48 Abs. 1 RVG).
Hier kommt hinzu, dass dem bewilligenden Gericht der Sachverhalt bekannt war. Davon, dass die Anträge wirklich geprüft worden sind, darf wohl ausgegangen werden. Dann aber hätte es dem Gericht freigestanden, den Anwalt darauf hinzuweisen, dass es nur die Geltendmachung der Ansprüche in einem Verfahren für sachdienlich, weil kostensparend halte.
Wie meist, wenn am Gesetz vorbei judiziert wird, treten nicht vorhergesehene oder ignorierte Schwierigkeiten auf.
So stellt sich zunächst die Frage, ob es überhaupt mit der Verschwiegenheitspflicht des Anwalts zu vereinbaren ist, die Verfahren in einem Rechtsstreit geltend zu machen, so dass jeder Kläger alle persönlichen Daten der anderen Kläger erfährt. Das dürfte gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen, das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird. Danach hat jeder selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Lebenssachverhalte offenbart werden dürfen und welche Daten er freigibt. Der Anwalt müsste daher alle zehn Auftraggeber zusammen oder einzeln belehren und fragen, ob sie mit einer Sammelklage einverstanden seien.
Ungewiss wäre es auch, wie die gehäuften Klagen verfahrensrechtlich im Einzelnen behandelt würden: Isolierte Hinweise nach § 139 ZPO? Teilanerkenntnis? Teilweise Vertagung? Teilurteile? Teilversäumnisurteile? Und wie würde sich das auswirken?
Schließlich ist es unzumutbar, von einem Anwalt zu verlangen, zehn Besprechungstermine mit Mandanten durchzuführen und das zehnfache Haftungsrisiko zu tragen, ohne dafür vergütet zu werden.
Verfassungsrechtlich ist diese Praxis eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Berufsfreiheit des Anwalts.
Soweit die verfehlte Rspr. des LAG München reicht, werden die davon betroffenen Anwälte vielleicht „überzählige“ Mandate an Kollegen mit einem neutralisierten Entwurf der Klage und interner Gebührenabsprachen übertragen. Irgendetwas in diese Richtung wird voraussichtlich geschehen, da ein Anwalt schwerlich bereit sein wird, zehn Angelegenheiten zu erledigen und nur für eine Angelegenheit vergütet zu werden. Die Kürzungsversuche der Staatskasse werden unterlaufen werden.
Rechtsanwalt Dr. Egon Schneider, Much