Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Einigungsgebühr eines gerichtlichen Vergleichsabschlusses im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung
Leitsatz (redaktionell)
Der Antrag, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf einen bereits vorher getätigten Vergleichsabschluss zu erstrecken, schließt eine Einigungsgebühr von 1,5 aus. Die Erhöhung der Einigungsgebühr von 1,0 auf 1,5 soll nach dem Zweck von Nr. 1000 VV-RVG das anwaltliche Bestreben, eine Streitigkeit möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen, fördern und belohnen. Wird aber gleichzeitig ein Verfahren über die Erstreckung der Prozesskostenhilfe anhängig gemacht, ist das Gericht beteiligt. Damit verbleibt es bei einer Einigungsgebühr von 1,0.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; RVG § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1; ZPO §§ 114, 286 Abs. 6; RVG-VV Nrn. 1000, 1003 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Kempten (Entscheidung vom 26.10.2021; Aktenzeichen 1 Ca 221/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten vom 26. Okt. 2021 - 1 Ca 221/21 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten der Klagepartei aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung.
Die Klagepartei hat sich mit Klage vom 3. Feb. 2021 beim Arbeitsgericht Kempten gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Jan. 2021 gewandt, die Feststellung der Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses durch andere Beendigungstatbestände und des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungstermin hinaus, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses bzw. hilfsweise eines Arbeitszeugnisses und ebenso hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag seine Weiterbeschäftigung beantragt. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat die Klagepartei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. beantragt (Bl. 1 f. d. PKH-Heftes)
Im Gütetermin vom 7. Apr. 2021 hat das Gericht zunächst beschlossen, über die beantragte Prozesskostenhilfe im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Anschließend haben sie in diesem Termin nachfolgenden letztlich nicht widerrufenen Vergleich abgeschlossen:
1. "Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, personenbedingter und fristgemäßer Kündigung vom 19.01.2021 mit Ablauf des 31.05.2021 beendet wird.
2. Die beklagte Partei vergütet den Kläger bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vertragsgemäß.
3. Die Beklagte stellt den Kläger bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung frei. Der Beklagte bietet seine Arbeitskraft an, die Beklagte verzichtet auf die Annahme.
4. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes analog §§ 9, 10 KSchG einen Betrag von € 16.000,00 (...) brutto.
5. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis und gibt dieses an ihn durch Zusenden heraus. Das Arbeitspapier wird mit der Prädikation der Note zwei, das heißt der Formulierung stets zur vollen Zufriedenheit in Führung und Leistung bewertet und von einem Vorgesetzten unterzeichnet. Das Zeugnis wird auf den 31.05.2021 datiert und mit der üblichen Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel abgeschlossen.
6. Mit Erfüllung des Vergleichs sind sämtliche gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, - ob bekannt oder unbekannt - abgegolten und erledigt. Ausgenommen von der Abgeltungsklausel sind ggf. zugunsten des Klägers errichtete betriebliche Altersversorgungsansprüche Direktversicherung etc.
7. Einigkeit besteht zwischen den Parteien auch darüber, dass der Urlaub des Klägers in natura erfüllt ist.
8. Die Kosten des Verfahrens und Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
9. Der Vergleich ist widerruflich für die beklagte Partei mit Schriftsatz zum Arbeitsgericht Kempten bis einschließlich dem 14.04.2021." (Hervorhebung im Original)
Auf Antrag des Beklagtenvertreters vom 13. Apr. 2021 hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15. Apr. 2021 (Bl. 29 ff. d.A.) den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf € 16.212,04 und auf € 4.053,01 für den Vergleichsmehrwert festgesetzt.
Mit Beschluss vom 19. Apr. 2021 hat das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe bei einer monatlichen Ratenzahlung von € 344,00 bewilligt und Rechtsanwalt B. als Prozessvertreter beigeordnet (Bl. P60 ff. d. PKH-Heftes). Mit weiterem Beschluss vom 29. Apr. 2021 hat es den Beschluss ergänzt, dass die Bewilligung auch auf den Vergleich erstreckt werde (Bl. P65 des PKH-Heftes).
Der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei hat mit Schreiben vom 22. Apr. 2021 die Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung in Höhe von € 1.923,04 beantragt (Bl. II f. d. Kostenheftes). Dabei hat er eine 1,5 Einigungsgebühr auf den Mehrvergleich angesetzt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20. Mai 2021 (Bl. V ff. d. Kostenheftes) lediglich eine Gebühr von € 1.685,64 u.a. unter Berücksich...