Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erhöhung der Einigungsgebühr im Prozesskostenhilfeverfahren bei Abschluss eines Vergleichs

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird die Prozesskostenhilfe für das gesamte gerichtliche Verfahren beantragt und bewilligt, soll sie das gesamte Verfahren ab Klageerhebung abdecken. Wird ein prozessbeendender Vergleich geschlossen, entsteht deshalb kein höherer Gegenstandswert (Vergleichsmehrwert), es bleibt bei der Einigungsgebühr von 1,0 nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV.

 

Normenkette

RVG §§ 48, 60 Abs. 1; RVG-VV Nrn. 1001-1002, 1003 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 27.12.2021; Aktenzeichen 10 Ca 512/21)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landesarbeitsgericht München wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 27. Dezember 2021 - 10 Ca 512/21 abgeändert:

Die von Rechtsanwalt Braun aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf € 1.298,29 festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten der Klagepartei aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung.

Die Klagepartei hat sich mit Klage vom 17. Mai 2021 beim Arbeitsgericht München gegen eine außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 3. Mai 2021 gewandt und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt (Bl. 1 f. d.A.).

Im Gütetermin vom 16. Juni 2021 haben die Parteien nachfolgenden Vergleich geschlossen:

1. "Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 30.06.2021.

2. Die beklagte Partei hält die im Zusammenhang mit der Kündigung erhobenen Vorwürfe nicht aufrecht.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III unter Berücksichtigung dieses Vergleiches zu erteilen und zu übersenden.

4. Der Kläger ist seit 3. Mai 2021 unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung - soweit die Ansprüche nicht übergegangen sind - bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Es besteht Einigkeit, dass die Urlaubsansprüche und etwaige Zeitguthaben in Natur eingebracht sind.

5. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 KSchG 3.500 € brutto

6. Damit ist der Rechtsstreit erledigt."

Nach Genehmigung des Vergleiches hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf 5.950,00 €, für den Vergleich auf 6.200,00 festgesetzt (Bl. 26 d.A.).

Mit Beschluss vom 25. August 2021 hat das Arbeitsgericht dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich bewilligt und Rechtsanwalt Braun als Prozessvertreter beigeordnet (Bl. 75/76 d. PKH-Heftes).

Der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei hat mit Schreiben vom 16. September 2021 die Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung in Höhe von € 1.372,67 beantragt (Bl. VII f. d. Kostenheftes). Dabei hat er u.a. eine 1,5 Einigungsgebühr auf den Mehrvergleich in Höhe von 73,50 € angesetzt. Das Arbeitsgericht hat den Prozessbevollmächtigten der Klagepartei mit Schreiben vom 20. September 2021 darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung unter anderem des Landesarbeitsgerichts München nur eine 1,0 Gebühr auf den Vergleichsmehrwert verlangt werden könne. Dem war der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei mit Schreiben vom 1. Oktober 2021, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg im Beschluss vom 26. Juli 2021 - 3 Ta 68/21 entgegengetreten. Mit Beschluss vom 18. Oktober 2021 (Bl. XVI ff d. Kostenheftes) hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 1.298,29 € angesetzt. Dabei hat sie nur eine 1,0 Gebühr für den Vergleichsmehrwert berücksichtigt.

Gegen diesen Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei mit Schriftsatz vom 9. November 2021 (Bl. XX ff. d. Kostenheftes) Erinnerung eingelegt und die Ansicht vertreten, es sei nunmehr in Nr. 1003 VV-RVG und § 48 Abs. 1 RVG eine 1,5-Gebühr für den Vergleichsmehrwert verankert.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung mit Beschluss vom 11. November 2021 (Bl. XXV d. Kostenheftes) nicht abgeholfen und hat die Akte dem zuständigen Kammervorsitzenden vorgelegt. Dieser hat mit Beschluss vom 22. November 2021 die Erinnerung zurückgewiesen (Bl. XXVI ff. d. Kostenheftes).

Gegen diesen ihm am 24. November 2021 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei mit Schriftsatz vom 30. November 2021 Gehörsrüge eingelegt (Bl. XXXI ff. d. Kostenheftes). Dieser hat das Arbeitsgericht abgeholfen und den Beschluss vom 22. November 2021 aufgehoben (Beschluss vom 10. Dezember 2021, Bl. XXXV ff. d. Kostenheftes).

Mit Beschluss vom 27. Dezember 2021 hat das Arbeitsgericht den Beschluss vom 18. Oktober 2021 dahingehend abgeändert, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klagepartei die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 1.372,67 € festgesetzt ...

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