RVG VV Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503, Nrn. 3102, 3103
Leitsatz
- Das Betreiben eines Geschäfts, welches über die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV zu vergüten ist, kann auch in der Vertretung in einem sozialgerichtlichen Vorverfahren liegen.
- Der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV ist eine Spezialvorschrift für die Berücksichtigung der Vorbefassung eines Rechtsanwaltes in einem dem gerichtlichen Verfahren vorausgehenden Verwaltungs- oder Vorverfahren, wobei diese als lex specialis der Anwendung der Anrechnungsvorschrift der Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV vorgeht und eine kumulative Anwendung ausschließt. Wird danach ein Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe in einem sozialrechtlichen Vorverfahren tätig, so ist die dort verdiente Geschäftsgebühr der Nr. 2503 VV nicht auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV des anschließenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.
- Die Gebührentatbestände der Nrn. 2401 und 3103 VV stellen "Sondergebührentatbestände" dar, die im sonstigen Gebührenrecht in dieser Form nicht vorkommen.
SG Berlin, Beschl. v. 2.10.2009 – S 164 SF 1112/09 E
Sachverhalt
Der Klägerin war für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Erinnerungsführerin bewilligt worden. Daraufhin beantragte die Erinnerungsführerin die Gewährung eines Vorschusses nach § 47 RVG. Dabei machte sie folgende Gebühren und Auslagen geltend:
Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV |
170,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV |
36,10 EUR |
zusammen |
226,10 EUR |
Außerdem gab die Erinnerungsführerin an, einen Betrag von 97,44 EUR (brutto) für Beratungshilfe aus der Landeskasse erhalten zu haben.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte daraufhin den zu gewährenden Vorschuss auf 184,45 EUR fest. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV |
170,00 EUR |
abzüglich Beratungshilfegebühr Nr. 2603 VV a.F. (= Nr. 2503 VV n.F.) |
– 35,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV |
29,45 EUR |
zusammen: |
184,45 EUR |
Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin aus, nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 2603 VV sei die Geschäftsgebühr nach Nr. 2603 VV a.F. (70,00 EUR) zur Hälfte auf ein sich anschließendes Gerichtsverfahren anzurechnen. Demnach sei hier ein Betrag von 35,00 EUR auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
Dagegen richtet sich die Erinnerung. Die Beratungshilfe sei für das Vorverfahren gewährt worden. Nach § 17 Nr. 1 RVG handele es sich bei dem Vorverfahren einerseits und dem Klageverfahren andererseits jeweils um verschiedene Angelegenheiten. Eine Anrechnung dürfe nicht erfolgen, da für das sozialgerichtliche Klageverfahren zwei verschiedene Gebührentatbestände für die Verfahrensgebühr vorgesehen seien, nämlich die Gebührentatbestände der Nrn. 3102 VV und 3103 VV. Durch die Anrechnung der Gebühr aus der Beratungshilfe würde eine doppelte Gebührenkürzung vollzogen.
Die Erinnerung hatte Erfolg.
Anmerkung
Nach § 47 Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung einen Anspruch gegen die Staatskasse für entstandene Gebühren und Auslagen fordern. Über den bereits festgesetzten Betrag hinaus hat die Erinnerungsführerin Anspruch auf Zahlung eines weiteren Vorschusses in Höhe von 41,65 EUR.
Unstreitig kommt vorliegend hinsichtlich der Verfahrensgebühr der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV zur Anwendung, da die Erinnerungsführerin für die Klägerin bereits im Vorverfahren, also einem weiteren der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren tätig war. Der verminderte Gebührenrahmen greift ein, weil die Vorbefassung im Vorverfahren die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren vereinfacht.
Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV (früher Nr. 2603 VV) auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV scheidet jedoch aus.
Der Gebührentatbestand der Nr. 2503 VV (früher Nr. 2603 VV) bestimmt die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr aus der Beratungshilfe auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren. Voraussetzung ist demnach, dass der Rechtsanwalt aufgrund bewilligter Beratungshilfe für den Rechtsuchenden tätig geworden ist, mithin ein Geschäft betrieben hat, denn bloße Rats- und Auskunftserteilung genügt für die Anwendbarkeit des Gebührentatbestandes der Nr. 2503 VV regelmäßig nicht. Mithin kann das Betreiben eines Geschäfts, welches sodann über die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV zu vergüten ist, auch in der Vertretung in einem sozialgerichtlichen Vorverfahren liegen.
Hieraus ergibt sich jedoch, dass der Rechtsanwalt, der für den unbemittelten Mandanten im Rahmen der Beratungshilfe ein Vorverfahren führt, ohnehin bereits gegenüber dem Rechtsanwalt, der für die Vertretung im Vorverfahren Gebühren nach Nrn. 2400 bzw. 2401 VV a.F. liquidiert, schlechter gestellt ist, wie der Vergleich der Gebührenrahmen der Gebührentatbestände der Nrn. 2400 und 2401 VV sowie Nr. 3103 VV einerseits mit der Festgebühr der Nr. 2503 VV sowie Nr. 3103 VV andererseits ergibt. Hinzu kommt, dass die im Vorverf...