Zusammenfassung
Kann der Gläubiger seinen Zahlungsanspruch durch Urkunden beweisen, empfiehlt sich die Klage im Urkundenprozess, weil dadurch relativ schnell ein Vorbehaltsurteil erlangt werden kann, aus welchem bereits vollstreckt werden darf, obwohl eventuelle Einwendungen noch durch den Schuldner vorgetragen werden können. Das Verfahren unterteilt sich daher in ein Vorbehalts- und ein Nachverfahren, jedoch handelt es sich gleichwohl prozessual nur um ein Verfahren, das aber aus zwei Abschnitten besteht. Der Prozess bleibt deshalb auch anhängig, wenn dem Beklagten in dem Vorbehaltsurteil die Geltendmachung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten wird (§ 600 Abs. 1 ZPO). Für das Verfahren gelten die besonderen Regelungen der §§ 592-605a ZPO. So bedarf es etwa in der Klageschrift der Erklärung, dass im Urkundenprozess geklagt wird (§ 593 Abs. 1 ZPO).
Kostenrechtlich ergeben sich teils abweichende Regelungen, weil sich der prozessuale und der kostenrechtliche Instanzenbegriff nicht decken. Im Folgenden soll daher auf die in dem Verfahren entstehenden Kosten, unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten, eingegangen werden.
I. Anwaltskosten
1. Verschiedene Angelegenheiten
Vorbehalts- und Nachverfahren stellen gem. § 17 Nr. 5 RVG verschiedene Angelegenheiten dar, sodass die Gebühren in beiden Verfahrensabschnitten gesondert entstehen. Da das Nachverfahren bereits mit Erlass (Verkündung) des Vorbehaltsurteils beginnt, ohne dass es auf dessen Rechtskraft ankommt, lässt auch jede anwaltliche Tätigkeit i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 2 VV nach diesem Zeitpunkt die Verfahrensgebühr für das Nachverfahren entstehen. Auch die Terminsgebühr fällt gesondert an, wenn in beiden Verfahrensabschnitten eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat oder die sonstigen Entstehungsvoraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV erfüllt sind.
Die Regelung des § 17 Nr. 5 RVG gilt sowohl für die Urkunden- und Wechsel- als auch die Scheckprozesse, auch wenn die Verfahren gem. § 113 Abs. 2 FamFG eine Familienstreitsache betreffen. Auf die Verfahren, in denen ein Vorbehaltsurteil nach § 302 ZPO ergeht, ist sie hingegen nicht anwendbar, sodass hier auch kostenrechtlich nur eine Angelegenheit vorliegt und die Gebühren nur einmal entstehen.
2. Anrechnungsvorschrift
Hinsichtlich der Verfahrensgebühr ist die Anrechnungsvorschrift der Anm. Abs. 3 zu Nr. 3100 VV zu beachten. Danach ist die in dem Vorbehaltsverfahren entstandene Gebühr auf die im Nachverfahren entstehende Verfahrensgebühr anzurechnen, gleich ob dieses nach Erlass eines Vorbehaltsurteils oder wegen der Abstandnahme nach § 596 ZPO eingeleitet wird. Eine Anrechnungsvorschrift besteht jedoch nur für die Verfahrensgebühr, sodass eine Anrechnung hinsichtlich der Terminsgebühr nicht vorzunehmen ist.
Die Anrechnungsvorschrift erfasst nur die erstinstanzlichen Verfahren, sodass in den Berufungs- und Revisionsverfahren nicht anzurechnen ist.
In einem Urkundenverfahren ergeht im Vorbehaltsverfahren ein Vorbehaltsurteil. Der Beklagte macht seine Rechte im Nachverfahren geltend. Hier ergeht ein Urteil, mit dem das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt wird. Der Streitwert wird für beide Verfahren auf jeweils 12.000,00 EUR festgesetzt. In beiden Verfahren hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.
An Anwaltskosten sind entstanden:
I. Vorbehaltsverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, Wert: 12.000,00 EUR |
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683,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, Wert: 12.000,00 EUR |
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631,20 EUR |
3. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Gesamt |
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1.335,00 EUR |
II. Nachverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, Wert: 12.000,00 EUR |
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683,80 EUR |
2. |
anzurechnen gem. Anm. Abs. 3 zu Nr. 3100 VV |
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-683,80 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, Wert: 12.000,00 EUR |
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631,20 EUR |
4. |
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Gesamt |
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651,20 EUR |
Für beide Verfahren können insgesamt 1.986,20 EUR geltend gemacht werden, zzgl. eventuell abzuführender Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV).
Sind die Gegenstandswerte im Vorbehalts- und Nachverfahren ausnahmsweise verschieden festgesetzt (vgl. III), so ist die Anrechnung nur nach dem geringeren Wert vorzunehmen, und zwar unabhängig davon, ob der Wert für das Vorbehalts- oder Nachverfahren höher festgesetzt wurde.
3. Zurückverweisung
Wird ein Verfahren durch das Rechtsmittelgericht zurückverwiesen, gilt § 21 Abs. 1 RVG, sodass das weitere Verfahren als ein neuer Rechtszug gilt, was grundsätzlich auch für die Urkunden- und Wechselprozesse gilt. Wurde das Vorbehaltsurteil aber durch das Rechtsmittelgericht bereits bestätigt, findet nach der Zurückverweisung vor dem erstinstanzlichen Gericht nur noch das Nachverfahren statt, sodass die Regelung des § 21 Abs. 1 RVG in diesen Fällen ausnahmsweise nicht eingreift, mit der Folge, dass in dem Vorbehaltsverfahren die Gebühren nur einmal entstehen.
4. Besonderheiten bei der Terminsgebühr
Nach Verkündung des Vor...