Zu Leitsatz 1:
Der Entscheidung des KG ist zuzustimmen. Legt die Staatskasse gegen eine Streitwertfestsetzung gem. § 68 Abs. 1 GKG Beschwerde ein, weil sie den festgesetzten Streitwert für zu niedrig hält, besteht der für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands i.H.v. über 200,00 EUR in der Differenz der nach dem festgesetzten Streitwert und dem mit der Beschwerde angestrebten Streitwert berechneten Gerichtsgebühren.
In dem vom KG entschiedenen Sachverhalt hatte das LG den Streitwert auf 21.189,79 EUR und den Wert des Vergleichs auf 29.725,89 EUR festgesetzt. Diese vom LG gem. § 63 Abs. 2 GKG vorgenommene Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren führte zur Erhebung folgender Gerichtsgebühren:
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 1211 GKG-KostVerz. |
345,00 EUR |
(Wert: 21.189,79 EUR) |
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0,25-Vergleichsgebühr, Nr. 1900 GKG-KostVerz. |
101,50 EUR |
(Wert: 29.725,89 EUR) |
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Gesamt |
446,50 EUR |
Die Grenze des § 36 Abs. 3 GKG, max. 1,0 aus 50.915,68 EUR (= 666,00 EUR), wird nicht überschritten.
Die Staatskasse hat mit ihrer Streitwertbeschwerde eine Festsetzung des Streitwerts auf 50.915,68 EUR angestrebt. Diese Streitwertfestsetzung löst folgende Gerichtsgebühr aus:
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 1211 GKG-KostVerz. |
666,00 EUR |
(Wert: 50.915,68 EUR) |
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Die Differenz zwischen den Gebührenbeträgen i.H.v. 446,50 EUR und 666,00 EUR beläuft sich auf 219,50 EUR, sodass der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands i.H.v. 200,01 EUR erreicht ist.
Die vom KG in den Entscheidungsgründen ermittelte Differenz i.H.v. 265,50 EUR beruht auf einem Rechenfehler: Das KG ist irrtümlich davon ausgegangen, dass sich die Summe der Verfahrensgebühr i.H.v. 345,00 EUR und der Vergleichsgebühr i.H.v. 101,50 EUR auf 400,50 EUR beläuft. Die Summe beträgt aber rechnerisch richtig 446,50 EUR.
Eine Vergleichsgebühr Nr. 1900 GKG-KostVerz. kommt bei einer Streitwertfestsetzung für das Verfahren auf 50.915,68 EUR nicht in Betracht, weil diese nur entsteht, soweit ein Vergleich über nicht gerichtlich anhängige Gegenstände geschlossen wird.
Voraussetzung für die Streitwertbeschwerde der Staatskasse ist aber stets, dass sie durch die Streitwertfestsetzung beschwert ist. Eine Beschwer der Staatskasse kann sich dabei auf zweierlei Weise ergeben:
Zum einen kann die Beschwer der Staatskasse bei einem zu geringen Streitwert bestehen, weil sie dann nur geringere Gerichtsgebühren einfordern kann. Mit einer Streitwertbeschwerde kann die Staatskasse deshalb im Hinblick auf die Gerichtsgebühren eine Erhöhung des Streitwerts verfolgen.
Zum anderen kann sich die Beschwer der Staatskasse aber auch durch einen zu hohen Streitwert ergeben. Dann ist nämlich eine höhere RVG-Vergütung aus der Staatskasse an die beigeordneten Anwälte auszuzahlen (§§ 45, 55 RVG), weil gem. § 32 Abs. 1 RVG die Festsetzung des Streitwertwerts für die Gerichtsgebühren gem. § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend ist. Deshalb kann die Staatskasse mit einer Streitwertbeschwerde im Hinblick auf die PKH-Gebühren der beigeordneten Rechtsanwälte auch eine Verringerung des Streitwerts geltend machen.
Deshalb ist bei der Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstands bei Streitwertbeschwerden der Staatskasse im Falle der Beiordnung von Anwälten im Wege der PKH/VKH immer auch zu ermitteln, ob die von der Staatskasse begehrte Heraufsetzung des Streitwerts dazu führt, dass höhere Gebühren aus der Staatskasse an die beigeordneten Rechtsanwälte zu erstatten sind.
Deshalb hat das KG zutreffend darauf hingewiesen, dass eine von der Staatskasse verfolgte Heraufsetzung des Streitwertes durch die dadurch anfallende Mehrvergütung des beigeordneten Rechtsanwalts die Beschwer der Staatskasse wieder beseitigen kann.
Beispiel 1
Die Kosten sind dem Beklagten auferlegt und der Streitwert ist auf 4.000 EUR festgesetzt worden. Dem Kläger ist ein Rechtsanwalt im Wege der PKH beigeordnet worden. Die Staatskasse legt Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung mit dem Ziel der Heraufsetzung des Streitwerts auf 8.000,00 EUR ein.
Es ist wie folgt zu rechnen:
Vom Beklagten geschuldete Gerichtsgebühren, § 29 Nr. 1 GKG
3,0-Verfahrensgebühr, Nr. 1210 GKG-KostVerz. |
609,00 EUR |
(Wert: 8.000,00 EUR) |
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./. 3,0-Verfahrensgebühr, Nr. 1210 GKG-KostVerz. |
381,00 EUR |
(Wert: 4.000,00 EUR) |
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Differenz |
228,00 EUR |
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PKH-Vergütung des beigeordneten Kläger-Vertreters
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
373,10 EUR |
(Wert: 8.000 EUR) |
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1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
344,40 EUR |
(Wert: 8.000 EUR) |
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./. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
327,60 EUR |
(Wert: 4.000 EUR) |
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1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
302,40 EUR |
(Wert: 4.000,00 EUR) |
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Differenz |
87,50 EUR |
Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt 140,50 EUR (228,00 EUR abzgl. 87,50 EUR). Die Staatskasse verfolgt durch ihre Streitwertbeschwerde damit lediglich einen Betrag i.H.v. 140,50 EUR, sodass der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von 200,01 EUR nicht erreicht ist.