Im Einzelnen ist bei der Frage eines Anwaltswechsels zwischen Entstehen von Gebühren und deren Erstattungsfähigkeit zwingend zu unterscheiden.
1. Entstehen von Gebühren beim Anwaltswechsel
Unzweifelhaft stellen das selbstständige Beweisverfahren und der sich anschließende Hauptprozess nach § 15 Abs. 2 RVG verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten dar, sodass die Gebühren in beiden Verfahren jeweils gesondert anfallen. Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr in der Hauptsache desselben Rechtszugs bei der Tätigkeit unterschiedlicher Anwälte kommt nach § 15a RVG i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 5 zu Teil 3 VV somit nicht in Betracht (vgl. BGH AGS 2014, 538).
2. Erstattungsfähigkeit von Gebühren beim Anwaltswechsel
Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit der im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Gebühren ist, dass der vorgenommene Anwaltswechsel nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO notwendig ist. Dies folgt aus dem Grundsatz heraus, dass die Parteien verpflichtet sind, die Prozesskosten so niedrig wie möglich zu halten. Zwar wird das Recht einer Partei, den Anwalt nach Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens zu wechseln, durch § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht berührt. Denn die Vorschrift betrifft nur das Rechtsverhältnis zwischen den Prozessparteien und regelt die Frage, inwieweit in diesem Verhältnis eine Kostenerstattung bzw. -ausgleichung der ihnen von ihrem jeweiligen Rechtsvertreter in Rechnung gestellten Gebühren und Kosten bei einem Anwaltswechsel vorzunehmen ist (BGH AGS 2018, 97).
Damit eine Erstattungsfähigkeit im Rahmen der Kostenfestsetzung jedoch überhaupt in Betracht kommen kann, muss die Partei gegenüber dem Rechtspfleger als Kostenfestsetzungsorgan allerdings ihre Gründe für den Anwaltswechsel offenlegen, ansonsten ist eine Prüfung, ob die Mandatierung eines anderen Rechtsanwalts notwendig war und eine Übernahme dieser Kosten durch den Prozessgegner gerechtfertigt ist, nicht möglich. Der Rechtspfleger hat hierbei nicht nur zu prüfen, ob die Beauftragung des zweiten Rechtsanwalts objektiv notwendig war, sondern darüber hinaus auch, ob der Wechsel auf Umständen beruht, welche die Partei oder der Anwalt hätte voraussehen oder in irgendeiner, nur in der Zumutbarkeit eine Grenze findenden Weise hätte verhindern können (BGH AGS 2013, 93).
Da im Streitfall der Kostengläubiger seiner Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands nicht nachgekommen ist, hat die Beschwerdekammer des LG richtigerweise eine fiktive Anrechnung der Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV vorgenommen, so wie sie vorzunehmen gewesen wäre, wenn die Kläger den Anwalt des Beweisverfahrens auch im Hauptsacheverfahren beauftragt hätte.
Dipl.-RPfleger Peter Mock, Koblenz
AGS 1/2022, S. 28 - 29