§ 58 RVG regelt die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen bei der Bewilligung von Beratungshilfe oder PKH. Dabei wird in § 58 Abs. 2 RVG für die von Teil 3 VV erfassten Verfahren angeordnet, das Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen ist, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Erfasst ist etwa die Zahlung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV wegen vorangegangener außergerichtlicher Vertretung.

Umstritten ist in Rspr. und Lit. jedoch, ob § 58 Abs. 2 RVG eine echte Anrechnung enthält oder nur die Tilgungsreihenfolge betrifft und folglich die Berechnung des Vergütungsanspruchs nicht umfasst.

Soweit von einer echten Anrechnungsregelung ausgegangen wird, sind die geleisteten Vorschüsse und Zahlungen zunächst auf die Differenz zwischen PKH- und Wahlanwaltsvergütung anzurechnen. Das ist die in Lit. und Rspr. herrschende Auffassung.[28] Die Gegenmeinung, der zuletzt das OLG Bamberg[29] gefolgt ist, vertritt hingegen die Auffassung, dass Vorschüsse und Zahlungen bereits auf die PKH-Vergütung anzurechnen sind.

Es wird jedoch der ersteren Auffassung zu folgen sein, da die Verfahrensgebühr wegen § 15a Abs. 1 RVG in der vollen Höhe entsteht und nicht von vornherein in der wegen der nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV vorzunehmenden Anrechnung reduzierten Höhe.[30] Auch im Hinblick auf die wegen § 49 RVG reduzierten Anwaltsgebühren erscheint dieses Ergebnis sinnvoll.

 

Beispiel

Wegen eines Anspruchs von 7.000,00 EUR wird Anwalt A zunächst außergerichtlich tätig. Später wird wegen des Anspruchs Klage erhoben. Hierfür wird dem Kläger PKH bewilligt und Anwalt A beigeordnet.

Für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren sind aus der Staatskasse (§ 49 RVG) zu zahlen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 360,10 EUR
  (Wert: 7.000,00 EUR)  
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 332,40 EUR
  (Wert: 7.000,00 EUR)  
3. Postpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 135,38 EUR
Gesamt 847,88 EUR

Die Differenzvergütung (§ 50 RVG) würde ohne Anrechnung betragen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 526,50 EUR
  (Wert: 7.000,00 EUR)  
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 486,00 EUR
  (Wert: 7.000,00 EUR)  
3. Postpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 196,18 EUR
  Zwischensumme 1.228,68 EUR
5. bereits aus der Staatskasse erhalten: – 847,88 EUR
Gesamt 380,80 EUR

Die nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV und § 58 Abs. 2 RVG vorzunehmende Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr von 263,25 EUR ist folglich auf die Differenz zwischen PKH- und Wahlanwaltsvergütung vorzunehmen. Der Anwalt erhält somit aus der Staatskasse zunächst die ungekürzte Verfahrensgebühr nach § 49 RVG erstattet.

[28] OLG Frankfurt NJW-RR 2013, 319; OVG Lüneburg NJW 2013, 1618; OLG Koblenz AGS 2013, 75; OLG Oldenburg AGS 2011, 611; OLG Brandenburg AGS 2011, 549; OLG Braunschweig FamRZ 2011, 1683; OLG Zweibrücken AGS 2010, 329; OLG München AGS 2010, 63; KG AGS 2009, 168; OLG Schleswig MDR 2008, 947; OLG Hamm FamRZ 2008, 1764; AnwK/RVG-N. Schneider/Fölsch, § 58 Rn 16 ff.; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, § 58 Rn 45; Hartung/Schons/Enders, § 58 Rn 31 ff.; Riedel/Sußbauer-Ahlmann, 10. Aufl., § 58 Rn 8.
[29] OLG Bamberg AGS 2018, 472. So auch: OLG Dresden MDR 2009, 470; OLG Celle JurBüro 2009, 135; OLG Jena JurBüro 2009, 23.
[30] Vgl. hierzu die überzeugende Argumentation in Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 58 Rn 45.

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