Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung einer Geschäftsgebühr bei bewilligter Prozesskostenhilfe im nachfolgenden Rechtsstreit
Normenkette
RVG § 58; RVG-VV Vorbem. 3
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 07.02.2006; Aktenzeichen 53 F 1351/05) |
Tenor
Der Beschluss des AG Darmstadt vom 7.2.2006 wird aufgehoben.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig, insb. form- und fristgemäß eingelegt. Die Beschwerde ist auch begründet.
Ein Anspruch der Staatskasse auf Rückzahlung von Prozesskostenhilfevergütung besteht nicht.
Nach § 58 Abs. 2 RVG sind Vorschüsse oder Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Der Rechtsanwalt kann also den anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr zunächst auf die Differenz zwischen Wahlanwaltvergütung und Prozesskostenhilfevergütung verrechnen, für die er keinen Anspruch ggü. der Staatskasse hat. Der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr ist von der aus der Staatskasse im Rahmen der Beiordnung zu zahlenden Vergütung nur dann abzusetzen, wenn sich keine Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung gibt und auch keine Auslagen entstanden sind, die nicht aus der Staatskasse erstattet werden (Enders, JurBüro 2005, 281 ff.).
Im Einzelnen ist wie folgt zu rechnen: Zunächst ist nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV zu ermitteln, welche Teile der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sind.
Die Beschwerdeführerin hat vorliegend vorprozessual einen Vorschuss in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2400 i.H.v. 618 EUR zzgl. der Postpauschale nach RVG-VV Nr. 7002 von 20 EUR angefordert und auch erhalten. Diese Geschäftsgebühr ist zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens wegen desselben Gegenstandes anzurechnen. 0,75 Geschäftsgebühr entsprechen 309 EUR. Die Pauschale Nr. 7002 RVG-VV i.H.v. 20 EUR ist nicht auf die im gerichtlichen Verfahren entstehende Pauschale anzurechnen (Bischoff/Jungbauer/Podlech/Trappmann, RVG, Vergütungsverzeichnis Teil 7, S. 699; Gerold/Schmidt/von Eicken/Maderl/Müller/Rabe, RVG, 16. Aufl., W 7001, 7002 Rz. 40; Enders, JurBüro 2005, 282).
Nach Ermittlung der anrechenbaren Geschäftsgebühr ist nach § 58 Abs. 2 RVG zu überprüfen, ob und in welcher Höhe eine Differenz von Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung vorliegt. Sofern eine Differenz besteht, kann der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr zunächst auf diese Differenz verrechnet werden. Ergibt sich keine Differenz zwischen beiden Vergütungen und ergeben sich auch keine Auslagen, die nicht aus der Staatskasse erstattet werden, so ist der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr von der aus der Staatskasse zu zahlenden Verfahrensgebühr in Abzug zu bringen (Bischoff/Jungbauer/Podlech/Trappmann, RVG, § 58 Rz. 10; Enders, JurBüro 2005, 283).
Vorliegend errechnet sich die Prozesskostenhilfevergütung wie folgt:
Gegenstandswert 8.528,97 EUR
1. 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV 309,40 EUR
2. 1,2-Terminsgebühren nach Nr. 3104 RVG-VV 285,60 EUR
3. 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 i.V.m. 1000 RVG-VV 238 EUR
4. Postpauschale nach Nr. 7002 RVG-VV 20 EUR
Zwischensumme 853 EUR
16 % MwSt. 136,48 EUR
Gesamt 989,48 EUR
Die Wahlanwaltsgebühr aus dem vorgenannten Gegenstandswert errechnet sich wie folgt:
1. 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV 583,70 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV 538,80 EUR
3. 1,0-Einigungsgebühren nach Nr. 1003 i.V.m. 1000 RVG-VV 449 EUR
4. Pauschale nach Nr. 7002 RVG-VV 20 EUR
Zwischensumme 1.591,50 EUR
16 % MwSt. 254,64 EUR
Gesamt 1.846,14 EUR
Die Differenz zwischen der Prozesskostenhilfevergütung und der Wahlanwaltsvergütung beträgt 856,66 EUR. Auf diese Differenz kann der nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV ermittelte Teil der Geschäftsgebühr i.H.v. 309 EUR verrechnet werden. Da dieser geringer ist als die Differenz zwischen PKH-Gebühren und Wahlanwaltsgebühren ist von der Prozesskostenhilfevergütung, die der Rechtsanwalt aus der Staatskasse erhält, nichts abzusetzen. Der Staatskasse steht damit kein Rückforderungsanspruch zu.
Der Beschluss war damit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 33 Abs. 9 RVG.
Fundstellen
Haufe-Index 1622501 |
JurBüro 2007, 149 |
AGS 2007, 313 |
FamRB 2007, 174 |
NJOZ 2006, 3528 |
RVG-Letter 2006, 118 |