Erfolgt der Nachweis der Vollbefriedigung der Tabellengläubiger erst im bereits aufgehobenen bzw. eingestellten Insolvenzverfahren, also in der sog. Wohlverhaltensphase, sieht das RVG für diesen Sachverhalt keinen direkten Vergütungstatbestand vor. Nach welcher Vorschrift wäre demnach die Tätigkeit zu vergüten?
Eine direkte Anwendbarkeit der Regelung von Nr. 3317 VV ist nach deren Wortlaut nicht möglich, da der Rechtsanwalt sich verfahrensrechtlich nicht mehr im Insolvenzverfahren befindet. Auch eine analoge Anwendbarkeit nach Nr. 3317 VV scheidet aus.
Eine unmittelbare Anwendbarkeit nach Nr. 3321 VV scheidet nach deren Wortlaut ebenfalls aus. Ebenso kommt auch eine analoge Anwendung nicht in Betracht. Denn hiernach würde der Rechtsanwalt lediglich eine 0,5-Verfahrensgebühr erhalten. Dies dürfte allerdings dem Aufwand seiner Tätigkeit sicherlich nicht gerecht werden. Denn wie dargestellt sind im Verfahren auf Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung die Beteiligten zuvor anzuhören (§ 300 Abs. 1 S. 1, 3 InsO). Dies hat mitunter zur Folge, dass zu eingegangenen Schriftsätzen durch den Rechtsanwalt – ggfs. aufwendig – Stellung bezogen werden bzw. aufwendig geprüft werden muss, was in der Praxis auch so vorkommt.
M.E. muss Nr. 3403 VV unmittelbar zur Anwendung kommen, um den Rechtsanwalt in diesem Verfahrensstadium angemessen zu vergüten. Es gibt keinen sachlichen Grund, den Aufwand des Rechtsanwalts hierbei anders zu beurteilen und zu vergüten als bei Erteilung eines Einzelauftrags im eröffneten Insolvenzverfahren. Der Aufwand für den Rechtsanwalt ist derselbe.
Fraglich ist jedoch, ob die 0,8-Verfahrensgebühr zusätzlich zur der im Insolvenzverfahren nach Nr. 3317 VV entstandenen 1,0-Verfahrensgebühr anfällt: Dies ist nur dann der Fall, wenn das Verfahren über den Antrag auf Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit darstellt (§ 15 Abs. 2 RVG).
Nach der Rspr. des BGH betreffen weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann grds. auch dann noch vorliegen, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird.
Die Angelegenheit ist allerdings von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann durchaus mehrere Gegenstände umfassen. Für einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit reicht es grds. aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen – zum Beispiel in einem einheitlichen Abmahnschreiben – geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang zwischen den anwaltlichen Leistungen ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören.
Auf die vorliegende Alternative der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung gem. § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 2 InsO scheitert bereits die Annahme einer gebührenrechtlichen Angelegenheit an den Kriterien des Inhalts der anwaltlichen Leistungen als auch hinsichtlich ihrer Zielsetzung. Denn wenn der Rechtsanwalt bereits im eröffneten Verfahren vollumfänglich Vertretungsmacht erhält, so kann er auf das Ziel der vorzeitigen Restschuldbefreiung wegen Gläubigerbefriedigung nach beendetem Verfahren gar keine Tätigkeit entfalten und auch nicht darauf hinarbeiten. Mit beendetem Insolvenzverfahren ist daher der Auftrag des Rechtsanwalts beendet. Wenn er anschließend durch den Mandanten im Verfahren wegen vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung wegen Gläubigerbefriedigung nach Verfahrensbeendigung beauftragt wird, liegt somit eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit vor.
Fazit
Die Beauftragung des Rechtsanwalts im Verfahren der vorzeitigen Restschuldbefreiung wegen Gläubigerbefriedigung nach beendetem Verfahren ist eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit (§ 15 Abs. 2 RVG) und lässt stets eine gesonderte 0,8-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3403 VV entstehen.
Zu beachten ist hier auch die unterschiedliche Wertermittlung:
Wird der Rechtsanwalt vom Insolvenzschuldner mit der Stellung eines Antrags auf vorzeitige...