Die Entscheidung des BGH nimmt dem Unterhaltsschuldner bei nicht vollständiger freiwilliger Unterhaltszahlung die Möglichkeit, mit der aus § 93 ZPO resultierenden günstigen Kostenfolge den Unterhalt anzuerkennen, und zwar auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige zuvor nicht zur Titulierung des freiwillig gezahlten Betrages aufgefordert worden ist.
Die Auffassung des BGH ist an Unbilligkeit kaum zu überbieten. Sie ist darüber hinaus auch praxisuntauglich. Die sich aus ihr ergebenden Folgen sind auf das seit dem 1.9.2009 geltende Recht m.E. nicht anzuwenden. Zwar hat das FamFG den vom BGH in seiner Entscheidung Ausdruck verliehenen Rechtsgedanken, die Vollstreckung in einer Sache aus zwei Titeln zu vermeiden, in § 255 Abs. 4 FamFG ebenso übernommen wie auch das Bestreben des BGH, der jeweils unterschiedlichen Abänderbarkeit beim Vorliegen von zwei Unterhaltstiteln (§ 313 BGB und § 323 Abs. 2, 3 ZPO) zu begegnen. Der Gesetzgeber kann es aber im Ergebnis nicht gewollt haben, dem Unterhaltsschuldner und seinem Verfahrensbevollmächtigten das volle Risiko für eine "richtige" Unterhaltsberechnung aufzubürden. Einen Regress könnte der Anwalt zukünftig nur dann vermeiden, wenn er außergerichtlich den exakt geschuldeten Unterhaltsbetrag errechnet und zur Titulierung rät. Das aber ist – nahezu – unmöglich. Die Unterhaltsberechnung ist von Umständen abhängig, die sich – wie etwa beim Wohnvorteil – nur durch sachverständige Ausarbeitung objektivieren lassen. Die Möglichkeit, die Kostenfolge des § 93 ZPO in Anspruch zu nehmen, wäre reine Glückssache. Die sich aus § 93 ZPO ergebende Rechtsfolge würde leerlaufen.
Es ist tägliche Praxis der Richter und Rechtsanwälte, dass eine Partei den ihr gegenüber geltend gemachten Unterhalt aus oft vielerlei Gründen für überhöht hält und daher nur zur Zahlung bzw. Anerkennung eines geringeren Unterhaltsbetrages bereit ist. Der Tabellenunterhalt richtet sich nach dem bereinigten Nettoeinkommen des Unterhaltsschuldners. Dieses zu errechnen ist oft nicht ganz einfach und in mannigfaltiger Weise von Umständen abhängig, über die die Parteien außergerichtlich eben keine Einigung finden. Hieraus resultiert, dass nicht selten der Unterhaltsschuldner einen Kindesunterhalt zahlt, der beispielsweise einer um eine Stufe niedrigeren Gruppe der Düsseldorfer Tabelle entnommen ist, was je nach Gruppe einen Realbetrag zwischen ca. 16 und 39 EUR pro Kind ausmacht.
Nehmen wir einmal an, der Unterhaltsschuldner zahlt Kindesunterhalt in Höhe eines Betrages von 345,00 EUR bzw. er erkennt diesen Betrag auch an, und der Unterhaltsgläubiger hält einen solchen in Höhe von 374,00 EUR für zutreffend und macht ein entsprechendes Unterhaltsverfahren anhängig. Nach der Meinung des BGH müsste nun der Unterhaltsschuldner die gesamten Verfahrenskosten hinsichtlich des vollen Streitwertes alleine tragen, wenn das Gericht einen Unterhalt in der begehrten Höhe feststellt, obwohl er 92 % des geschuldeten Unterhaltes gezahlt und anerkannt hat, folglich nur über restliche 29,00 EUR gestritten worden ist. Dies ist mit allgemeinen Verfahrensvorschriften und auch mit jedweder Gerechtigkeitsüberlegung nicht in Einklang zu bringen.
Das vom BGH bescherte Ergebnis muss nach neuester Gesetzeslage auch gar nicht sein.
Die Beantwortung der Frage, wann der Unterhaltsschuldner Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat und welche Kostenverteilung daraus resultiert, richtet sich seit dem Inkrafttreten des FGG-ReformG nicht mehr nach § 93 ZPO, sondern sie ergibt sich vielmehr aus § 243 FamFG. Danach entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen über die Verteilung der Kosten grundsätzlich nach billigem Ermessen, wobei es ein sofortiges Anerkenntnis nach § 243 S. 2 Nr. 4 FamFG zu berücksichtigen hat. Da es unbillig wäre, demjenigen Unterhaltsschuldner, der zur Titulierung bereit ist und der den aus seiner Sicht geschuldeten Unterhalt freiwillig zahlt, die günstige Kostenfolge des sofortigen Anerkenntnisses zu versagen, sollte sich die zu treffende Kostenentscheidung stets an dem in § 243 S. 1 FamFG ausdrücklich dafür vorgesehenen Ermessen orientieren. Es bleibt zu hoffen, dass die Praxis diesen Weg gehen wird.
Sollte die Entscheidung des BGH allerdings auch auf Fälle nach Inkrafttreten des FamFG vertiefte Anwendung finden, wäre die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zu überlegen, denn auch anwaltliches Berufsrecht dürfte tangiert sein. Um eine negative Kostenentscheidung in Unterhaltssachen auszuschließen, müsste der Anwalt dem Unterhaltsschuldner mehr oder weniger regelmäßig raten, lieber einen seiner Meinung nach geringfügig zu hohen Unterhaltsbetrag zu akzeptieren, als es auf ein Verfahren ankommen zu lassen.
Der Anwalt des Unterhaltsgläubigers sollte auch weiterhin stets darauf achten, den Unterhaltsschuldner außergerichtlich zur Titulierung des freiwillig gezahlten Unterhaltsbetrages aufzufordern, um eine ermessensfehlerfreie Kostenverteilung zumindest über § 243 S. 1 FamFG zu erreichen.
Schade, dass der BGH die neu...