Es gibt noch Richter in Köln …
und Vorstandsmitglieder von Rechtsanwaltskammern, die ihre Aufgaben ernst nehmen
Die vorstehend abgedruckte Entscheidung sollte eigentlich keines Abdruckes Wert sein, da sie Selbstverständlichkeiten für jeden Rechtsanwalt wiedergibt.
Leider ist die Wirklichkeit offenbar anders, da immer wieder festzustellen ist, dass Rechtsanwälte ihr eigenes Berufsrecht, ja nicht einmal die wichtigsten Vorschriften beherrschen bzw. richtig zu deuten verstehen. Allerorten wird die anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung – zurecht – als eine der wichtigsten Säulen unseres Berufsstandes gepriesen.
Und sobald Seitens interessierter Kreise Angriffe auf diese Verschwiegenheitsverpflichtung und auf das Recht zur Verschwiegenheit festzustellen sind, wehrt sich die Anwaltschaft durch ihre Interessenvertreter unverzüglich und nachdrücklich.
Und so war es gut, dass das Symposium aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln sich "Angriffe auf die anwaltliche Verschwiegenheit?" zum Thema gemacht hatte. Wer aber glaubhaft die in jüngster Zeit durchaus erkennbaren Angriffe auf das Recht zur anwaltlichen Verschwiegenheit – und dann hoffentlich erfolgreich – abwehren will, der muss sich als Anwaltschaft im Allgemeinen und als Rechtsanwalt im Besonderen der Verpflichtung zur Verschwiegenheit auch tatsächlich verbunden fühlen.
Nur in absoluten Ausnahmefällen, die in § 2 BORA näher beschrieben werden, ist der Anwalt berechtigt, Mandatsinterna zu offenbaren. Auch hier sind ihm jedoch enge Grenzen gesetzt. So ist es ihm zum einen nicht erlaubt leichtfertig offensichtlich unbegründete Honoraransprüche einzuklagen und auch bei berechtigten Honoraransprüchen darf er in einen derartigen Prozess nicht mehr einführen, als zur Begründung der Klage erforderlich ist.
Letztendlich bedeutet dies, dass der – ehemalige – Mandant Herr des Geschehens bleibt:
Je mehr er bestreitet und den Anspruch infrage stellt, umso mehr darf nunmehr der Anwalt offenbaren, um Einwänden begegnen zu können.
Und so beginnt bei richtiger Anwendung des Berufsrechts jede Honorarklage mit einem Mahnbescheid. Der ehemalige Mandant hat es dann in der Hand, den Prozess aufzunehmen und wenn er nach Widerspruch und nach Einleitung des streitigen Verfahrens alles und jedes bestreitet, so wird er sich dem dezidierten Vortrag seines Rechtsanwalts gegenübersehen.
Gleiches gilt für die Abwehr von unberechtigten Regressansprüchen. Auch hier ist es dem Mandanten gestattet, sich durch eine Darstellung des Mandates zu wehren, soweit, aber eben nur soweit dies für die Abwehr des Anspruchs erforderlich ist.
Dies und nichts anderes ist in § 2 Abs. 3b BORA festgelegt.
Und soweit dort von Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder zur Verteidigung in eigener Sache die Rede ist, so ist nach diesseitiger Auffassung "in eigener Sache" die Sache des Rechtsanwalts in seiner Funktion als Rechtsanwalt gemeint und nicht eine gerichtliche Auseinandersetzung, die ihn ausschließlich als Privatmann betrifft, was laut Aussage des Beschlusses des Anwaltsgerichts Köln hier aber der Fall war.
Ist es schon schlimm genug, wenn in Honorarprozessen – ohne Not und meistens auch ohne Verstand – Interna aus anderen Mandaten ausgeplaudert wird, die zur Rechtfertigung des Honoraranspruches überhaupt nicht notwendig sind, so ist es umso unverständlicher, wenn ein Rechtsanwalt meint, in eigenen Privatsachen Vorteile daraus ziehen zu können, dass er den Prozessgegner zuvor als Rechtsanwalt einmal oder mehrfach vertreten hat.
Er verstößt hier nicht nur in eklatante Maße gegen seine Berufspflichten, sondern verschafft sich einen ungerechtfertigten Prozessvorteil gegenüber anderen Prozessparteien, die sich einem solchen Prozessgegner gegenübersehen.
Und so kann man sich nur wundern, mit welcher Vehemenz und mit welcher Begründung sich der hier betroffene Rechtsanwalt gegen die Maßnahme des Kammervorstandes gewehrt hat, nachdem ihm das Glück beschieden, war aus den im Beschluss wiedergegebenen Gründen einem Strafverfahren entgangen zu sein.
So bedauerlich der betroffene Rechtsanwalt die Entscheidung empfinden mag, sie rechtfertigt nochmals ein Lob für den Kammervorstand und für das Anwaltsgericht.
Leider muss man allerdings in Einzelfällen auch erleben, dass nicht überall von Vorstandsmitgliedern von Rechtsanwaltskammern die Dinge so klar gesehen und zutreffend behandelt werden.
Auch in schlimmeren Fällen werden Beschwerden von Mandanten bisweilen mit der ersichtlich falschen Interpretation von § 2 BORA zurückgewiesen, verbunden mit der merkwürdigen Rechtsauffassung, die Befreiung von der Verschwiegenheitsverpflichtung sei im Einzelfall "exzessiv" auszulegen.
Solche offensichtlichen Fehlentscheidungen mögen den betroffenen Rechtsanwalt erfreuen, sie schädigen aber die Anwaltschaft insgesamt.
Herbert P. Schons
AGS 3/2019, S. 153 - 156