Die Möglichkeit, dass das Gericht einem Beteiligten wegen Verzögerung des Verfahrens eine sogenannte Verzögerungsgebühr auferlegen kann, ist sowohl bei den Gerichten als auch bei den Anwälten relativ unbekannt. Deshalb gibt es auch kaum entsprechende Gerichtsentscheidungen zur Verzögerungsgebühr. Der Beschluss des OLG Frankfurt ist übrigens eine der ganz wenigen Entscheidungen, die sich mit der aktuellen Frage befasst, ob die Nichtbefolgung einer sitzungspolizeilichen Anordnung des Gerichts, in der Corona-Pandemie in der mündlichen Verhandlung eine Maske zu tragen, bei erforderlicher Vertagung die Verhängung einer Verzögerungsgebühr zu rechtfertigen.
Nachfolgend sollen einige Grundzüge dargestellt werden, die bei der Verhängung einer solchen Verzögerungsgebühr zu beachten sind.
1. Auferlegung der Verzögerungsgebühr
Das Prozessgericht, nicht etwa der Kostenbeamte, kann dem Kläger oder dem Beklagten oder sonstigen Verfahrensbeteiligten gem. § 38 S. 1 GKG, § 32 S. 1 FamGKG die dort bestimmte Verzögerungsgebühr von Amts wegen auferlegen. Ob das Gericht von der Möglichkeit der Auferlegung der Verzögerungsgebühr Gebrauch gemacht hat, liegt somit in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das im Rechtsbehelfsverfahren überprüft werden kann (s. OLG Düsseldorf AnwBl. 1975, 235).
Die Verzögerungsgebühr kann durch Beschluss, aber auch erst im Urteil auferlegt werden. In diesem Fall hat der Urteilstenor den Charakter eines Beschlusses, so OLG Celle (BRAGOreport 2002, 128 = MDR 2001, 350 m. Anm. Schmidt).
2. Höhe der Verzögerungsgebühr
Die als "besondere Gebühr" bezeichnete Verzögerungsgebühr ist mit einem Gebührensatz von 1,0 aufzuerlegen (§ 38 S. 1 GKG a.E., § 32 S. 1 FamGKG a.E.). Die entsprechenden Gebührenregelungen finden sich bspw. in Nrn. 1901, 5601, 6600, 7601, 8700 GKG KV. Gem. § 38 S. 2 GKG, § 32 S. 2 FamGKG kann das Gericht die Gebühr bis auf einen Gebührensatz von 0,3 ermäßigen. Maßgeblich hierfür können das Maß des Verschuldens, die Bedeutung der Verzögerung für die andere Partei, aber auch die Vermögenslage der den Rechtsstreit verzögernden Partei sein. Die Verhängung der Höchstgebühr mit einem Gebührensatz von 1,0 wird deshalb nur bei ganz besonders schweren Verstößen angemessen sein (so OLG Nürnberg JurBüro 1963, 233). Nach Auffassung von NK-GK/Hagen Schneider, a.a.O., § 32 FamGKG Rn 49 ist die Verhängung einer 1,0-Gebühr der Regelfall (so auch OLG Frankfurt FuR 2018, 211).
3. Streitwert/Verfahrenswert
Die Verzögerungsgebühr berechnet sich grds. nach dem Streitwert/Verfahrenswert der Hauptsache. Betrifft die Verzögerung jedoch nur einen Teil des Rechtsstreits, etwa im Falle einer vorherigen Klagerücknahme oder beim Erlass eines Teilurteils, ist nur der Streitwert maßgeblich, hinsichtlich dessen eine schuldhafte Verzögerung des Rechtsstreits eingetreten ist.
4. Fälligkeit
Die Verzögerungsgebühr wird im Regelfall mit dem Wirksamwerden des die Gebühr auferlegenden Beschlusses fällig (s. § 6 Abs. 3 GKG, § 9 Abs. 2 FamGKG). Dies betrifft insbesondere die Verfahren nach der ZPO, der VwGO, dem SGG, der FGO und des FamFG. Abweichend hiervon tritt in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen die Fälligkeit gem. § 6 Abs. 4 GKG nur in den Fällen des § 9 Abs. 1 GKG ein.
5. Kostenschuldner
Kostenschuldner ist diejenige Partei, der das Gericht die schuldhafte Verzögerung des Rechtsstreits zur Last legt, etwa der Kläger oder der Beklagte, der Antragsteller oder Antragsgegner, der Nebenintervenient oder der Beigeladene. Beruht die Verzögerung auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten eines dieser Beteiligten, so ist die Verzögerungsgebühr gleichwohl der Partei, nicht also dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten, aufzuerlegen (s. NK-GK/Hagen Schneider, a.a.O., § 32 FamGKG Rn 53; Österreich/Winter/Hellstab, GKG, Loseblattsammlung, § 38 Rn 8).
Demgegenüber gelten hier die Regelungen über die Kostenhaftung nach den §§ 22 ff. GKG, §§ 21 FamGKG nicht. Es kommt somit für die Verzögerungsgebühr nicht darauf an, welche Partei als Antragsteller (§ 22 Abs. 1 S. 1 GKG, § 21 Abs. 1 FamGKG) oder als Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG, § 24 FamGKG) die übrigen Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Wegen ihres Strafcharakters kann die Verzögerungsgebühr auch den Verfahrensbeteiligten auferlegt werden, die Gerichtskostenfreiheit beanspruchen können (§ 2 GKG, § 2 FamGKG) oder denen Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist.
6. Beschwerde
Gegen den Beschluss, durch den das Gericht die Verzögerungsgebühr auferlegt hat, findet gem. § 69 S. 1 GKG, § 60 FamGKG die Beschwerde statt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes – also die verhängte Verzögerungsgebühr – 200,00 EUR übersteigt. Alternativ ist die Beschwerde auch dann gegeben, wenn das Gericht bei einem geringeren Wert des Beschwerdegegenstandes die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung in seinem Beschluss zugelassen hat. Die Beschwerde ist auch dann gegeben, wenn das Gericht die Verzögerungsgebühr erst in seinem Urteil auferlegt hat...