1. AG bejaht Erstattungsfähigkeit zu Recht

Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht der fast einhelligen amtsgerichtlichen Rspr. und Praxis (s. N. Schneider, AGS 2022, 529 ff.).

Das Gericht stellt zu Recht klar, dass die Kosten, die ein Anwalt im Einverständnis mit seinem Mandanten für die Einschaltung von Hilfspersonen aufwendet, diesem nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV i.V.m. §§ 675, 670 BGB als Auslagen in Rechnung stellen darf. Das gilt z.B. für die Hinzuziehung von Übersetzern, Gutachtern, Steuerberatern und damit auch für Terminsvertreter. Die Erstattungsfähigkeit richtet sich nach § 91 ZPO. Es ist also zu fragen, ob diese Kosten notwendig waren. Hier kommt jetzt die Rspr. des BGH ins Spiel, wonach eine auswärtige Partei die Reisekosten eines an ihrem Sitz ansässigen Anwalts grds. erstattet verlangen kann (AGS 2003, 97 = NJW 2003, 898). Wenn sie diese Kosten aber erstattet verlangen kann, dann ist nicht einzusehen, wieso sie die geringeren Kosten eines Terminsvertreters nicht soll erstattet verlangen können. Es ist ein allgemeiner Grundsatz des Kostenrechts, dass an sich nicht notwendige Kosten jedenfalls in der Höhe zu erstatten sind, als andere Kosten, die erstattungsfähig gewesen wären, vermieden worden sind.

 

Beispiel

Anwalt und Mandant haben ihren Sitz in Köln. Es kommt zu einem Rechtsstreit vor dem LG München I. Der Streitwert beträgt 50.000,00 EUR. Der Kölner Rechtsanwalt beauftragt in München einen Terminsvertreter und handelt mit ihm ein Honorar für die Terminsvertretung i.H.v. 400,00 EUR (netto) aus. Nach Abschluss des Termins rechnet der Terminsvertreter mit dem Hauptbevollmächtigten diese 400,00 EUR ab, die der Hauptbevollmächtigte dann auch bezahlt.

Der Hauptbevollmächtigte zahlt also aus der eigenen Tasche an den Terminsvertreter:

 
1. Pauschalhonorar 400,00 EUR
2. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 76,00 EUR
  Gesamt 476,00 EUR

Nunmehr rechnet er mit der Partei wie folgt ab:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   1.511,90 EUR
  (Wert: 50.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   1.395,60 EUR
  (Wert: 50.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
4. Auslagen für Terminsvertreter, Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV i.V.m. §§ 670, 675 BGB 400,00 EUR
  Zwischensumme 3.327,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   632,23 EUR
  Gesamt 3.959,73 EUR

Wäre der Anwalt selbst nach München gereist, wären folgende Mehrkosten entstanden:

 
1. Reisekosten, Köln-München und zurück 524,16 EUR
  (2 x 624 km x 0,42 EUR)    
2. Abwesenheitspauschale   80,00 EUR
  Zwischensumme 604,16 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   114,79 EUR
  Gesamt   718,95 EUR

Wäre ein Terminsvertreter im Namen der Partei beauftragt worden, wären folgende Kosten entstanden:

 
1. 0,65 Verfahrensgebühr, Nr. 3401, 3100 VV   775,95 EUR
  (Wert: 50.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 795,95 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   151,23 EUR
  Gesamt   947,18 EUR

Sowohl bei einer eigenen Reise als auch bei Beauftragung des Terminsvertreters im Namen der Partei wären höhere Kosten angefallen. Es ist daher nicht einzusehen, warum die Kosten der günstigeren Variante der Beauftragung des Terminsvertreters nicht erstattungsfähig sein sollen. Immerhin profitiert die erstattungspflichtige Partei ja davon.

2. Gegenteilige OLG-Rechtsprechung

Während die unteren Instanzen – wie hier – eine Erstattungsfähigkeit annehmen, haben mehrere OLG zuletzt eine Erstattungsfähigkeit mit wenig überzeugender Begründung abgelehnt (OLG Köln NJW-RR 2022, 283 = JurBüro 2022, 136; OLG München NJW-RR 2022, 1506 = zfs 2022, 639; OLG Dresden NJW-RR 2023, 358).

3. Rechtsbeschwerden beim BGH anhängig

Derzeit liegen zu dieser Frage mindestens zwei Rechtsbeschwerden dem BGH vor (VIa ZB 22/22 und VIII ZB 53/21), sodass in Kürze mit einer höchstrichterlichen Entscheidung zu rechnen ist.

Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen

AGS 4/2023, S. 172 - 174

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