Die Entscheidung des OLG Dresden dürfte von großer Bedeutung sein, deckt sie doch einen sehr häufig in der Praxis vorkommenden Sachverhalt ab. Insolvenzverfahren sind Massenverfahren und regelmäßig kommt es bei Massengeschäften auch zu Versäumnissen. Im Eröffnungsbeschluss werden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 28 Abs. 1 InsO). Von dieser Aufforderung erlangen die Gläubiger durch die Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses Kenntnis (§ 30 Abs. 1 InsO). Soweit dem Insolvenzgericht bzw. dem Verwalter Gläubiger bekannt sind, ist der Eröffnungsbeschluss diesen Gläubigern gesondert zuzustellen (§ 30 Abs. 2 InsO). Diese Anmeldefrist ist auf einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen und höchstens drei Monate festzusetzen (§ 28 Abs. 1 S. 2 InsO). Regelmäßig kommt es aber auch zu Nachmeldungen, wenn Gläubiger erst zu spät vom Verfahren erfahren oder aus anderen Gründen verspätet anmelden. Auch kommt es sehr häufig vor, dass aufgrund zahlreicher Anmeldungen solche erst verspätet vom Verwalter bei Gericht eingereicht werden.
1. Nachmeldungen – regelmäßige Konstellation
Die Anmeldefrist stellt keine Ausschlussfrist dar, sodass auch nach ihrem Ablauf eine Forderungsanmeldung vorgenommen werden kann (§ 177 InsO). Praktisch "täglich" kommen aber Sachverhalte vor, in denen diese Frist – aus welchen Gründen auch immer – nicht eingehalten werden kann. Die InsO enthält keine klare Aussage darüber, bis zu welchem spätesten Zeitpunkt eine Forderung zum Verfahren angemeldet werden kann. Theoretisch besteht damit die Möglichkeit, eine Forderungsanmeldung bis zur Beendigung des Verfahrens vorzunehmen. Um in das Schlussverzeichnis aufgenommen werden zu können, das für die Verteilung der Insolvenzmasse und ggf. auch für eine Berücksichtigung während der Restschuldbefreiungsphase ausschlaggebend ist, muss eine Forderung jedoch so rechtzeitig angemeldet werden, dass deren Prüfung noch vor der Niederlegung des Schlussverzeichnisses erfolgen kann. Der BGH hat mittlerweile als spätesten Forderungsanmeldungstermin den Schlusstermin bestimmt (BGH, Urt. v. 19.12.2019 – IX ZR 53/18). Nach dem Schlusstermin kann eine Forderung nicht mehr angemeldet werden (BGH, Urt. v. 19.1.2012 – IX ZR 4/11; vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 – IX ZR 259/97).
2. Nachträglicher Prüfungstermin
Nach dem allgemeinen Prüfungstermin angemeldete Forderungen werden entweder in einem besonderen Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren geprüft (§ 177 Abs. 1 S. 2 InsO). Dasselbe gilt für Forderungen, die nach Ablauf der Anmeldefrist angemeldet wurden und deren Prüfung im allgemeinen Prüfungstermin nicht mehr erfolgen kann. Ein besonderer Prüfungstermin oder ein schriftliches Prüfungsverfahren ist auch dann anzuordnen, wenn Änderungen in Bezug auf eine bereits festgestellte Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden (§ 177 Abs. 1 S. 3 InsO). Für die nachträgliche Anmeldung von Forderungen gibt es keine Anmeldefrist. Im Gegensatz zum allgemeinen Prüfungstermin, der keine Gerichtskosten verursacht, ist mit der Durchführung eines besonderen Prüfungstermins oder eines schriftlichen Prüfungsverfahrens für jeden nachmeldenden Gläubiger eine Gebühr i.H.v. derzeit 22,00 EUR verbunden (Nr. 2340 GKG KV; Stand: 1.1.2021). Im Grundsatz gilt als Kostenschuldner der Gebühr Nr. 2340 GKG KV der nachmeldende Gläubiger. Ob er die Fristversäumnis selbst verschuldet hat oder nicht, ist unerheblich, da es im Hinblick auf die Kostentragungspflicht auf ein Verschulden des nachmeldenden Gläubigers grds. nicht ankommt (LG Krefeld v. 21.12.2016 – 7 T 152/16).
3. Klare Lage: keine materielle Kausalitätsprüfung
Wie vom OLG nun entschieden, dürfte die "Verschuldensfrage" nicht zu klären sein. Das OLG Dresden klärt damit eine in der Praxis wichtige Schuldfrage, indem aus kostenrechtlicher Perspektive stets derselbe Schuldner heranzuziehen ist (also der Gläubiger) unabhängig des Grundes einer Nachprüfung. Die Entscheidung des OLG Dresden vereinfacht damit den Verfahrensablauf erheblich. Das Insolvenzgericht muss daher nicht zwischen anmeldendem Gläubiger einerseits, und Verwalter andererseits vermitteln oder gar eine Entscheidung treffen, sondern kann sich auf den Gebührenanfall zurückziehen, der einfach-rechtlich zu bewerten ist. Für den "rechtzeitig" anmeldenden Gläubiger – dies darf man nicht übersehen – wird die Entscheidung zwar unverständlich bleiben. Er hat seine Forderung – deren Erfüllbarkeit zudem durch das Insolvenzverfahren meist in weite Ferne rückt – fristgerecht angemeldet und soll nun auch noch 22,00 EUR für einen Fehler eines Dritten bezahlen. Regelmäßig wird aber der Insolvenzverwalter in einer solchen Konstellation intern den Schaden aber gegenüber dem Gläubiger selbst ausgleichen. Wichtig für die Praxis ist jedoch, dass das Gericht nicht verschiedene Schuldner und eine Kausalität zu bewerten hat, sondern sich auf einen festen Schuldner zurückziehen kann.
Dipl.-RPfl. Stefan Lissner, Konstanz
AGS 4/2023, S. 186 - 188