Entgegen den Bedenken der Landeskasse hält die Beschwerdekammer daran fest, dass bezogen auf die Höhe der anzurechnenden Gebühr jedoch die Tabelle des § 49 RVG zugrunde zu legen ist.

(1)  Nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist auf die Verfahrensgebühr eines gerichtlichen Verfahrens eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte anzurechnen, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75. Wie diese Anrechnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu erfolgen hat, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.

Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe erlangt der beigeordnete Rechtsanwalt zwar nach § 45 RVG einen eigenständigen Anspruch gegen die Staatskasse; es handelt sich nicht nur um eine Haftung des Staates für die Schuld der bedürftigen Partei (Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 45 Rn 48). Der Anspruch gegen die Partei bleibt unabhängig von der Prozesskostenhilfebewilligung bestehen, kann aber nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geltend gemacht werden. Der Anspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ist allerdings insofern mit dem Gebührenanspruch gegen die Partei verwoben, als er nach § 45 Abs. 1 RVG nur in Höhe "der gesetzlichen Vergütung" entsteht, wobei für Wertgebühren die Regelung des § 49 RVG zu beachten ist. Eine dadurch entstehende Differenz zu den Wahlanwaltsgebühren kann der beigeordnete Rechtsanwalt wiederum nach § 50 RVG festsetzen und durch die Staatskasse einziehen lassen, vorausgesetzt, dass die bedürftige Partei zu Ratenzahlungen oder Zahlungen aus dem Vermögen verpflichtet wurde.

(2)  Für die Anwendung der Anrechnungsregelung im Rahmen der Festsetzung sind verschiedene Möglichkeiten denkbar.

Die Landeskasse meint, es müsse eine volle Anrechnung auf die nach § 49 RVG berechnete Verfahrensgebühr erfolgen. Dies wird jedoch dem Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift nicht gerecht. Diese trägt dem Umstand Rechnung, dass die Tätigkeiten des Rechtsanwalts, für welche ihm die Geschäftsgebühr und die Verfahrensgebühr zustehen, teilweise identisch sind. Die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zu erbringenden Leistungen werden dem Rechtsanwalt durch die zuvor bereits erbrachten, von der Geschäftsgebühr abgedeckten Leistungen erleichtert. Es verbleibt jedoch ein zusätzlicher Aufgabenbereich, wie beispielsweise die Bestimmung des zuständigen Gerichts, Vorbereitung der Klageanträge, Abfassung der eigenen bzw. Lesen der gegnerischen Klageschrift und weiterer Schriftsätze. Diese Situation berücksichtigt auch der Gesetzgeber, indem er die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf deren Hälfte, maximal jedoch eine 0,75-Gebühr beschränkt. Dies macht deutlich, dass dem Rechtsanwalt wegen der zusätzlich zu erbringenden Leistungen ein Teil der Verfahrensgebühr verbleiben soll, die Anrechnung also nur zu einer Reduzierung, nicht jedoch zu einem vollständigen Wegfall der Verfahrensgebühr führen soll. Diesem Sinn und Zweck wird die Auffassung der Landeskasse nicht gerecht. Sie verkennt, dass es nicht lediglich darum geht, Zahlbeträge miteinander zu verrechnen, sondern dass eine Doppelvergütung bestimmter Leistungen vermieden werden soll. Sie ist zudem auch verfassungsrechtlich bedenklich. Bei entsprechenden Streitwerten würde der bedürftigen Partei der Rechtsschutz im Vergleich zu einer bemittelten Partei erschwert. Der von ihr vorgerichtlich hinzugezogene Rechtsanwalt müsste nämlich befürchten, die gerichtliche Vertretung im Ergebnis ohne jede Vergütung zu übernehmen, was verständlicherweise dazu führen könnte, dass er den Klageauftrag nicht annimmt. Entgegen der Auffassung der Landeskasse kann der Rechtsanwalt diese Situation auch nicht in jedem Fall dadurch vermeiden, dass er für die vorgerichtliche Tätigkeit auf der Basis von Beratungshilfe agiert. Das setzt nämlich voraus, dass die Partei bereits zu diesem Zeitpunkt bedürftig ist. Gerade bei arbeitsgerichtlichen Bestandsstreitigkeiten ist es jedoch nicht selten, dass die Bedürftigkeit erst mit dem streitigen Ende des Arbeitsverhältnisses und damit oftmals erst während des Rechtsstreits eintritt. Ist hingegen die Partei von Anfang an bedürftig, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Bereitschaft des Rechtsanwalts, vorgerichtlich für einen in seiner Durchsetzbarkeit fraglichen Gebührenanspruch tätig zu sein, die Landeskasse auch von einer Zahlung für den Aufwand befreien soll, der erst durch die Annahme des Klageauftrags entsteht.

Das OLG Stuttgart (15.1.2008–8 WF 5/08, AnwBl 2008, 301) vertritt den Standpunkt, nach dem Sinn und Zweck der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei der Staatskasse eine Berufung auf den Anrechnungstatbestand zu versagen, wenn eine Zahlung des Mandanten auf den anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr nicht erfolgt sei. Dem kann sich die erkennende Kammer nicht anschließen. War die Partei bereits während der vorgerichtlichen Vertretung bedürftig, sieht die gesetzliche Konzeption die Möglichkeit der Beratungshilfe vor, bei der sich das fragliche Anrechnungsproblem nicht stellt. War die Partei hingegen ursprünglich nicht bedürf...

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