Zu Leitsatz 1

Das KG folgt insoweit der Rspr. des OLG Frankfurt/M.[1] und widerspricht damit der gegenteiligen Auffassung des OLG Stuttgart.[2]

Die Entscheidung des KG ist insoweit auch zutreffend. Das RVG sieht in Vorbem. 3 Abs. 4 VV nur die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV vor. Die Anrechnung einer vereinbarten Vergütung ist dagegen grundsätzlich nicht vorgesehen.

Treffen die Parteien eine Vergütungsvereinbarung, dass nach Stunden abzurechnen ist (so im Falle des OLG Frankfurt) oder nach einem festen Pauschalbetrag (so im vorliegenden Fall des KG) ist eine Gebührenanrechnung nicht vorgesehen. Sie kommt nur in Betracht, wenn die Parteien Derartiges vereinbart haben. Das war hier jedoch nicht der Fall.

Eine Anrechnung einer vereinbarten Vergütung ist jedoch nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass die Parteien dies ausdrücklich vereinbaren können, kann sich dies auch bei einer vereinbarten Vergütung aus der gesetzlichen Vorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV ergeben, nämlich dann, wenn die Parteien eine Vergütungsvereinbarung lediglich über die Höhe des Gegenstandswertes oder über die Höhe des abzurechnenden Gebührensatzes, etwa des Höchstsatzes oder eines darüber hinausgehenden Gebührensatzes vereinbart haben. In diesem Fall bleiben die gesetzlichen Gebührenvorschriften im Übrigen anwendbar und damit auch die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV.

 
Praxis-Beispiel

Die Parteien vereinbaren, dass für die vorgerichtliche Tätigkeit eine 3,0-Geschäftsgebühr zu zahlen sei.

Da hier nur die Höhe abweichend von dem gesetzlichen Gebührenrahmen geregelt ist und hinsichtlich der Anrechnung keine abweichenden Vereinbarungen getroffen worden sind, ist die Vereinbarung dahingehend auszulegen, dass es bei der Anrechnung der Vorbem. 3 Abs. 4 VV verbleibt und die 3,0 Gebühr hälftig, bzw. höchstens zu 0,75 auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird.

Zu Leitsatz 2

Das KG bestätigt die Rspr. des BGH,[3] wonach grundsätzlich von einer 1,3-Geschäftsgebühr auszugehen ist, so dass dann 0,65 anzurechnen sind. Dies betrifft aber nur einen Teil der glaubhaft zu machenden Tatsachen.

Zunächst einmal muss derjenige, der sich auf eine Anrechnung der Geschäftsgebühr beruft, darlegen und glaubhaft machen, dass auf der Gegenseite überhaupt eine Geschäftsgebühr angefallen ist. Dafür gibt es keine gesetzliche Vermutung. Dies ist vielmehr zunächst einmal vorzutragen und mit den Mitteln des § 296 ZPO glaubhaft zu machen, etwa in dem vorgerichtliche Korrespondenz vorgelegt wird, aus der sich ein außergerichtlicher Vertretungsauftrag ergibt.

Ist dies gelungen oder unstreitig, dann ist es nach Auffassung des KG Sache des Erstattungsberechtigten, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ungeachtet der außergerichtlichen Vertretung keine Geschäftsgebühr angefallen ist, etwa weil eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden ist, die keine Anrechnung vorsieht oder weil die außergerichtliche Vertretung bereits in Erfüllung des Klageauftrags erfolgte (siehe § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG).

Ist davon auszugehen, dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV angefallen ist, dann ist wiederum grundsätzlich von einer 1,3-Geschäftsgebühr und damit von einer Anrechnung in Höhe von 0,65 auszugehen.

Es obliegt jetzt dem Erstattungspflichtigen, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass auf der Gegenseite eine höhere Geschäftsgebühr angefallen ist und sich somit ein höherer Anrechnungsbetrag ergibt.

Umgekehrt ist es Sache des Erstattungsberechtigten, darzulegen und glaubhaft zu machen, das auf seiner Seite eine geringere Geschäftsgebühr als 1,3 angefallen ist, so dass sich auch nur ein entsprechend geringerer Anrechnungsbetrag ergibt.

Hier wird es in der Regel für den Erstattungsberechtigten einfacher sein, seiner Darlegungslast und Verpflichtung zur Glaubhaftmachung nachzukommen, da er sich auf die anwaltliche Versicherung seines Prozessvertreters berufen kann, während der Erstattungspflichtige in der Regel nur geringe Einblicke in die anwaltlichen Tätigkeiten auf der Gegenseite und damit nur geringe Möglichkeiten hat, hier substantiiert vorzutragen oder gar Mittel der Glaubhaftmachung vorzulegen. In der Regel wird er sich hierzu nur der vorgerichtlichen Korrespondenz bedienen können. Allerdings kann er verlangen, dass die anwaltliche Abrechnung der vorgerichtlichen Tätigkeit von der Gegenseite vorgelegt wird. Verweigert die Gegenseite das, so dürfte hieraus eine umkehrende Beweislast folgen.

Norbert Schneider

[1] AGS 2009, 157 = AnwBl 2009, 310.
[2] AGS 2008, 510 = RVGreport 2008, 468, das seine Rspr. allerdings aufgegeben hat, AGS 2009, 214 (in diesem Heft).
[3] AGS 2008, 377 = RVGreport 2008, 354.

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