Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Der Erstattungsbetrag war auf den von der Klägerin nicht angegriffenen Betrag von 1.795,73 EUR herabzusetzen.

Vorbem. 3 Abs. 4 VV bestimmt, dass eine nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV entstehende Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Indem das Gesetz auf die entstehende Geschäftsgebühr abstellt, wird deutlich, dass es nicht auf die vom Anwalt in Rechnung gestellte Gebühr, sondern allein darauf ankommt, welche Gebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit tatsächlich entstanden ist.

Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr – wie hier – von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Unbilligkeit in diesem Sinne ist nicht nur dann gegeben, wenn der Rechtsanwalt eine zu hohe Gebühr berechnet. Die Unbilligkeitsregelung des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist vielmehr auch dann anwendbar, wenn der Rechtsanwalt seinem eigenen Mandanten eine zu geringe Gebühr in der Absicht berechnet, dadurch eine höhere Kostenerstattung vom im Rechtsstreit unterlegenen Prozessgegner zu erlangen.

So liegt es hier. Die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Beklagten im Kostenfestsetzungsverfahren belegen, dass sie die Rspr. des BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für völlig verfehlt halten. Berücksichtigt man weiter, dass die Sache zwar nicht umfangreich, jedoch schwierig war (grundlegende Fragen der GmbH-Geschäftsführerhaftung), steht für den Senat außer Zweifel, dass für die vorprozessuale Tätigkeit auf Beklagtenseite eine 1,3-Geschäftsgebühr entstanden ist.

Das führt zu der Frage, ob der Senat wegen der behaupteten abweichenden Berechnung durch die Bevollmächtigten des Beklagten gehalten ist, ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer einzuholen (§ 14 Abs. 2 S. 1 RVG). Das ist zu verneinen. Mit dem Begriff des Rechtsstreits i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 1 RVG ist der Gebührenprozess zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber gemeint. Die Vorschrift betrifft nicht den Fall eines Rechtsstreits zwischen dem Auftraggeber des Rechtsanwalts und einem Dritten, der zur Erstattung von Verfahrenskosten verpflichtet ist (vgl. BVerwG NJW 2006, 247; Bischof/Jungbauer, RVG, 3. Aufl., § 14 Rn 131 m. zahlr. w. N.). § 14 Abs. 2 S. 1 RVG ist nach Auffassung des Senats auch nicht anwendbar im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Prozessgegner des Auftraggebers des Anwalts, mag das Gericht in derartigen Fällen auch befugt sein, erforderlichenfalls ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen.

Das ist hier nicht der Fall, weil die behauptete Berechnung einer bloßen 0,65-Geschäftsgebühr für die vorprozessuale Tätigkeit ganz offenkundig nur dazu dient, einen höheren Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zu erlangen. Die angemessene Vergütung wird in einem derartigen Fall durch den Rechtspfleger oder das Gericht im Kostenfestsetzungsverfahren bestimmt (entsprechende Anwendung von § 315 Abs. 3 S. 2 BGB).

Ob etwas anderes gilt, wenn eine andere Abrechnung gegenüber dem Auftraggeber des Rechtsanwalts sachlich gerechtfertigt sein kann und tatsächlich glaubhaft gemacht ist (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO), steht nicht zur Entscheidung an.

Mitgeteilt von RiOLG Ernst Weller, Koblenz

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