Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Bezirksrevisorin ist unbegründet. Zu Recht hat das ArbG die Erstattung einer 1,5-fachen Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert festgesetzt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin steht wegen des abgeschlossenen Mehrvergleichs auch eine 1,5-Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) zu.
1. Es ist umstritten, welche anwaltlichen Gebühren der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt bei der vergleichsweisen Erledigung nicht rechtshängiger Gegenstände in einem gerichtlichen Vergleich verlangen kann.
Nach Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 VV entsteht die 1,5-fache Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Nach Nr. 1003 VV betragen die Gebühren nach Nr. 1000 bis 1002 VV 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Nach Nr. 1003 Abs. 1 S. 1 VV gilt diese Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0 auch dann, wenn über Verfahrensgegenstände zugleich ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbstständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrages i.S.d. Nr. 1000 erstreckt (§ 48 Abs. 3 RVG). Dabei stehen die Nrn. 1000 (1,5-fach), 1003 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 (1,0-fach) und 1003 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 (1,5-fach) VV in einem Grundsatz – Ausnahme – Rückausnahmeverhältnis (LAG Schleswig-Holstein, 11.4.2017 – 5 Ta 36/17; LAG Baden-Württemberg, 27.4.2016 – 5 Ta 118/15).
2. Nach einer Ansicht greift die Ausnahme der Nr. 1003 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VV mit der Folge der Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0 ein. Kommt der gerichtlich protokollierte Vergleich erst nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage zu Stande, wurde nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt i.S.d. 2. Alt. in Nr. 1003 Abs. 1 S. 1 VV (LAG München, 2.11.2016 – 6 Ta 287/16, LAG Nürnberg – 25.6.2009, 4 Ta 61/09, LAG Hamm, 31.8.2007 – 6 Ta 402/07, LAG Rheinland-Pfalz, 12.3.2015 – 5 Ta 51/15; vgl. Übersicht bei Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, RVG, 23. Aufl., 2017, § 48 Rn 170 ff. m.w.N.).
3. Nach einer sich mittlerweile abzeichnenden überwiegenden anderen Ansicht wird angenommen, dass bei der Erweiterung der Prozesskostenhilfe auf den Abschluss eines Mehrvergleichs dem beigeordneten Rechtsanwalt sämtliche mit dem Vergleichsschluss anfallenden Gebühren aus der Staatskasse zu erstatten sind. Dabei werden vor allem der Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe sowie die Verfahrensökonomie in den Vordergrund gestellt (LAG Baden-Württemberg, 27.4.2016 – 5 Ta 118/15; LAG Berlin-Brandenburg, 16.4.2018 – 17 Ta (Kost) 6133/17; LAG Hamm, 3.8.2018 – 8 Ta 653/17 unter Bezugnahme auf BGH, 17.1.2018 – XII ZB 248/16).
4. Die Beschwerdekammer folgt der zuletzt genannten Auffassung. Das LAG Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschl. v. 16.4.2018 (17 Ta (Kost) 6133/17) zu Recht auf den Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe abgestellt.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat zutreffend ausgeführt:
"Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe soll gewährleisten, dass unbemittelte Parteien in gleicher Weise Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie Parteien, die die Kosten der Prozessführung aus eigenen Mitteln bestreiten können. Er ist Ausfluss des verfahrensrechtlichen Gebots einer weitergehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegten Rechtsstaatsprinzip (BGH, Beschl. v. 17.1.2018 – VII ZB 248/16). Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Unbemittelter darf im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Eine derartige Erschwerung trete jedoch ein, wollte man an dem beigeordneten Rechtsanwalt bei Abschluss eines Mehrvergleichs die sich nach dem RVG danach ergebenden Gebühren nur teilweise aus der Staatskasse erstatten. Die unbemittelte Partei, die die anwaltlichen Gebühren nicht selbst tragen kann, wäre in diesem Fall gezwungen, hinsichtlich der nichtanhängigen Gegenstände ein weiteres gerichtliches Verfahren anzustrengen bzw. müsste sich einer – an sich sinnvollen – Gesamtbereinigung aller Ansprüche verweigern. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen hinreichend sachlichen Grund. So ist es insbesondere nicht entscheidend, dass eine Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Verteidigung hinsichtlich der in den Vergleich einbezogenen Regelgegenstände nicht in gleicher Weise erfolgen kann wie bei dem eigentlichen Gegenstand des Verfahrens. Es geht bei der Einbeziehung nicht rechtshängiger Gegenstände in einem gerichtlichen Vergleich nicht darum, ob ein insoweit gef...