§ 91 ZPO; Nrn. 3401, 3402 VV RVG
Leitsatz
Beauftragt die Partei neben ihrem Prozessbevollmächtigten einen Terminsvertreter an einem dritten Ort, sind die dadurch ausgelösten Mehrkosten (0,65-Verfahrensgebühr, Postentgeltpauschale und Reisekosten) bis zu 110 % der ersparten fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erstattungsfähig.
AG Wipperfürth, Beschl. v. 26.3.2021 – 9 C 245/19
I. Sachverhalt
Die in Kranenburg ansässige Partei hatte für einen Rechtsstreit vor dem AG Wipperfürth neben ihrem Prozessbevollmächtigten einen Terminsvertreter aus Köln beauftragt. Dieser berechnete für seine Tätigkeit u.a. eine 0,65-Verfahrensgebühr aus dem Streitwert des Verfahrens (1.782,62 EUR) i.H.v. 97,50 EUR, eine Postentgeltpauschale i.H.v. 20,00 EUR, Pkw-Kosten (Entfernung 117 km) i.H.v. 35,10 EUR sowie ein Tage- und Abwesenheitsgeld i.H.v. 25,00 EUR, insgesamt somit netto 177,60 EUR. Dieser Betrag wurde dann auch neben der Verfahrensgebühr des Hauptbevollmächtigten zur Festsetzung angemeldet. Die Beklagtenseite wandte ein, die Mehrkosten des Terminsvertreters seien nicht erstattungsfähig. Jedenfalls hätte ein ortsansässiger Terminsvertreter beauftragt werden können, sodass keine Reisekosten angefallen wären. Die Klägerin hat sich demgegenüber darauf berufen, dass sie berechtigt gewesen wäre, in Kranenburg einen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen und dass dieser zum Termin hätte nach Wipperfürth fahren können, sodass Pkw-Kosten i.H.v. 2 x 172 x 0,30 EUR/km = 103,20 EUR angefallen wären sowie ein Abwesenheitsgeld i.H.v. 40,00 EUR, mithin 143,20 EUR. Nach der Rspr. des BGH seien die Kosten eines Terminsvertreters zu erstatten, wenn sie die ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich überschreiten würden, wobei hier eine Wesentlichkeitsgrenze von 10 % anzunehmen sei. Das AG hat die Kosten des Terminsvertreters i.H.v. 157,52 EUR als erstattungsfähig anerkannt.
II. Es gilt eine 110 %-Grenze
Die tatsächlich angefallenen nachgewiesenen Kosten eines Terminsvertreters sind zu erstatten bis zur Höhe von 110 % der fiktiven Kosten, die bei Inanspruchnahme eines am Ort der Klägerin ansässigen Rechtsanwalts entstanden wären. Dies wären hier Pkw-Kosten i.H.v. 103,20 EUR gewesen sowie ein Abwesenheitsgeld i.H.v. 40,00 EUR mithin 143,20 EUR. Nach der Rspr. des BGH (NJW-RR 2015, 761 = AGS 2015, 241 = RVGreport 2015, 267) ist insoweit noch ein Zuschlag von 10 %, also 14,32 EUR hinzuzurechnen. Dies ergibt dann einen Betrag i.H.v. 157,52 EUR.
III. Grundsätzliche Erstattungsfähigkeit eines Terminsvertreters
Nach der Rspr. des BGH sind die Kosten eines Terminsvertreters i.S.d. Nrn. 3401 ff. VV erstattungsfähig, soweit sie die ersparten Reisekosten eines am Sitz der Partei ansässigen Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen (NJW 2003, 898 = AGS 2003, 97). Die Wesentlichkeitsgrenze nimmt der BGH mit 10 % an (NJW-RR 2015, 761 = AGS 2015, 241 = RVGreport 2015, 267). Daraus folgt, dass die Kosten eines Terminsvertreters in voller Höhe zu erstatten sind, wenn sie unterhalb von 110 % der ersparten Reisekosten liegen. Liegen die Kosten des Terminsvertreters darüber, dann sind die tatsächlich entstandenen Kosten zu erstatten bis zu 110 % der fiktiven Reisekosten. Der gegenteiligen Rspr., die in diesen Fällen nur eine Erstattung i.H.v. 100 % der Reisekosten annehmen wollte, hatte der BGH bereits in seiner Entscheidung (NJW-RR 2015, 761 = AGS 2015, 241 = RVGreport 2015, 267) eine Absage erteilt und klargestellt, dass die 110 % Grenze auch dann gilt, wenn die tatsächlichen Reisekosten des Terminsvertreters die 110 % Grenze übersteigen.
IV. Terminsvertreter muss nicht am Gerichtsort ansässig sein
Darüber hinaus ist in der obergerichtlichen Rspr. geklärt, dass eine Partei, wenn sie einen Terminsvertreter beauftragt, nicht verpflichtet ist, einen ortsansässigen Terminsvertreter zu beauftragen. Sie darf vielmehr auch einen Terminsvertreter am "dritten Ort" beauftragen (OLG Düsseldorf AGS 2007, 51). Auch für ihn gilt die Vergleichsberechnung, dass dessen Kosten zu erstatten sind bis zur Höhe von 110 % der ersparten Reisekosten des Hauptbevollmächtigten.
Bei dieser Konstellation spielt es i.Ü. keine Rolle, an welchem Ort sich der Hauptbevollmächtigte befindet, da er bei Einschaltung eines Terminsvertreters keine eigenen Reisekosten geltend macht.
V. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist leider nur knapp begründet, im Ergebnis aber zutreffend. Sie gibt Anlass, gleich auf mehrere Punkte hinzuweisen.
Nach der Rspr. des BGH sind die Kosten eines Terminsvertreters i.S.d. Nrn. 3401 ff. VV erstattungsfähig, soweit sie die ersparten Reisekosten eines am Sitz der Partei ansässigen Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen (NJW 2003, 898). Die Wesentlichkeitsgrenze nimmt der BGH mit 10 % an (NJW-RR 2015, 761). Daraus folgt, dass die Kosten eines Terminsvertreters in voller Höhe zu erstatten sind, wenn sie unterhalb von 110 % der ersparten Reisekosten liegen. Liegen die Kosten des Terminsvertreters darüber, dann sind die tatsächlich entstandenen Kosten bis zu 110 % der fiktiven Reisekosten zu erstatten. Der gegenteiligen Rspr., die in diesen Fällen nur eine Erstattung i.H.v. 100 % der Reisekosten annehmen wollte, hat der BGH in ...