Zitat
§ 2 BerHG – Gegenstand der Beratungshilfe
Die Beratungshilfe besteht in Beratung und, soweit erforderlich, in Vertretung. Eine Vertretung ist erforderlich, wenn Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung, die die Rechtsangelegenheit für sie hat, ihre Rechte nicht selbst wahrnehmen können.
Weitere Voraussetzung für das Entstehen der Geschäftsgebühr Nr. 2503 VV ist, dass eine Vertretung i.S.d. § 2 Abs. 1 BerHG erforderlich war (Köpf, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., 2021, VV RVG Nr. 2503 Rn 2). Ob die Vertretung erforderlich war, kann nicht allgemein beurteilt werden. Aus der gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 1 S. 1 BerHG, dass die Beratungshilfe in Beratung "und soweit erforderlich in Vertretung" besteht, ist ein strenger Maßstab abzuleiten.
Zwei Parameter werden hier abwägend in Bezug zueinander gesetzt, nämlich einerseits der Umfang, die Schwierigkeit und die Bedeutung der Rechtsangelegenheit. Die Erforderlichkeit ist in der Regel dann zu bejahen, wenn es in der konkreten Rechtsangelegenheit um komplexe juristische Rechtsfragen geht, welche einen gewissen Verhandlungsspielraum aufweisen (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 209). Zum anderen sind die persönlichen Fähigkeiten des Rechtsuchenden in Bezug zu setzen (s. BT-Drucks 17/11472, 37). Es ist dabei nicht auf die Fähigkeit eines Durchschnittsbürgers abzustellen, sondern auf die individuellen Möglichkeiten der Selbstvertretung des Rechtsuchenden. Dem Rechtsuchenden ist ein Maß an Eigeninitiative zuzumuten (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 301). Die Fähigkeiten des Rechtsuchenden sind anhand seines Schulabschlusses, seiner Ausbildung, seines Berufs, seiner allgemeinen Kenntnisse und seines sozialen Umfeldes zu beurteilen.
Das OLG Stuttgart setzt sich in seiner Entscheidung vorliegend entscheidungserheblich mit dem zeitlichen Aspekt, ob die Erforderlichkeit der Vertretung letztlich durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im Vergütungsfestsetzungsverfahren oder nur allein durch den tätigen Rechtsanwalt zu prüfen ist, auseinander. Das Gericht hält nach wie vor seine bereits früher vertretene Ansicht (OLG Stuttgart MDR 2007, 1400) auch nach der erfolgten Änderung des BerhHG zum 1.1.2014 sowie der erfolgten Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 1 BerHG zum 1.8.2021, für zutreffend.
Es stellt eine unzulässige Einflussnahme auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts dar, wenn der Urkundsbeamte tatsächlich jede gebührenrechtlich relevante Tätigkeit des Rechtsanwalts auf seine Notwendigkeit überprüfen müsste. Dem Urkundsbeamten fehlt nach Ansicht des OLG Stuttgart für die in Rede stehende Prüfung die fachliche Kompetenz. Nur der Rechtsanwalt verfügt über alle Informationen, die ihm eine interessengerechte Tätigkeit für den Rechtsuchenden ermöglicht; dem Urkundsbeamten stehen hingegen nur wenige ihm bekannte Informationen für eine entsprechende Beurteilung, ob der Rechtsanwalt zu gebührenintensiv gearbeitet hat, zur Verfügung. Der Urkundsbeamte hat lediglich das Bestehen des Vergütungsanspruchs als solches festzustellen, die beantragte Vergütung richtig zu berechnen und ob ggf. geltend gemachte Auslagen zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit gem. § 46 RVG erforderlich waren. Aus dem Gesetzeswortlaut ist weiter nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Prüfung der Erforderlichkeit der Vertretung gerade erst im Vergütungsfestsetzungsverfahren erfolgen soll, der Gesetzgeber hat hier keine mit einer gebotenen Klarheit getroffene Regelung getroffen. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf die Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 1 BerHG zum 1.8.2021. Die Frage der Erforderlichkeit einer Vertretung ist auch systematisch § 2 Abs. 1 BerHG zugeordnet und damit dem Bewilligungsverfahren zuzurechnen. Der von der Gegenmeinung vertretenen Ansicht (OLG Brandenburg Rpfleger 2019, 527 ff.; AG Mannheim AGS 2017, 231, BeckRS 2016, 16804; auch Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Aufl., 2021, VV 2500 Rn 38), dass die Prüfung der Erforderlichkeit einer Vertretung zeitlich gesehen auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren verschoben wird und bei bestehenden Zweifeln auch gerichtlich überprüft werden können muss, vermag der Senat des OLG Stuttgart aus den vorgenannten Gründen nicht zu folgen.