I. Fragen
1. Ausgangsfall
Der in Berlin wohnhafte Kläger hat vor dem LG Berlin einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten i.H.v. 15.000,00 EUR geltend gemacht. Dabei lässt sich der Kläger durch den in Berlin kanzleiansässigen Rechtsanwalt K vertreten. Zu dem Verhandlungstermin vom 2.2. lädt das LG Berlin die Parteien und vorbereitend den Zeugen A, der zu dem Termin – ebenso wie die Prozessbevollmächtigten der Parteien – erscheint. Nach seiner Vernehmung zur Person und entsprechender Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht erklärt A, er mache von diesem Recht Gebrauch. Die Vernehmung des Zeugen A dauert drei Minuten.
Das LG Berlin beraumt einen weiteren Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermin auf den 3.5. an, zu dem es auch die Zeugen B und C lädt. Der Zeuge C entschuldigt sich wegen Urlaubsabwesenheit und wird vom LG Berlin von dem Termin abgeladen. Der Zeuge B erscheint zu dem Beweisaufnahmetermin vom 3.5. und wird während einer Dauer von 10 Minuten in Anwesenheit der Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Person und zur Sache vernommen.
Zu dem vom LG Berlin auf den 10.8. anberaumten Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermin erscheinen die Prozessbevollmächtigten der Parteien und der Zeuge C, dessen Vernehmung zur Person und zur Sache 15 Minuten dauert.
Das LG Berlin gibt der Klage statt und erlegt dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf.
Welche außergerichtlichen Kosten wird der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Kläger in seinem Kostenfestsetzungsantrag gegen den Beklagten geltend machen?
2.1. Abwandlung
Der Zeuge C wohnt in Hamburg und wird auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts des LG Berlin gem. § 362 ZPO von dem ersuchten Richter beim AG Hamburg zur Person und zur Sache vernommen. Der Kläger lässt sich in diesem Beweisaufnahmetermin durch den von ihm beauftragten Hamburger Rechtsanwalt H als Terminsvertreter vertreten.
Welche außergerichtlichen Kosten kann der auch in der Abwandlung obsiegende Kläger nunmehr gegen den Beklagten geltend machen?
3.2. Abwandlung
Rechtsanwalt K nimmt in der ersten Abwandlung für den Kläger den auswärtigen Beweisaufnahmetermin vor dem AG Hamburg selbst wahr. In diesem Termin wird wieder der Zeuge C zur Person und zur Sache vernommen. Zu dem Beweisaufnahmetermin ist Rechtsanwalt K mit der Bahn angereist und hat hierfür Fahrtkosten i.H.v. 150,00 EUR netto aufgebracht. Die Dauer der Geschäftsreise betrug acht Stunden.
Welche außergerichtlichen Kosten sind in diesem Fall entstanden?
II. Lösungen
1. Lösung zum Ausgangsfall
I. Angefallene Gebühren und Auslagen
1. Verfahrensgebühr
Rechtsanwalt K ist gem. Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts die Verfahrensgebühr angefallen. Diese ist mit einem Gebührensatz von 1,3 entstanden, weil er mit der Klageschrift einen Schriftsatz mit Sachantrag bei Gericht eingereicht hat und er außerdem die Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermine wahrgenommen hat (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV).
2. Terminsgebühr
Nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV entsteht die Terminsgebühr für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen. Rechtsanwalt K hat für seinen Mandanten drei Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermine wahrgenommen und hat deshalb nach Nr. 3104 VV die 1,2-Terminsgebühr verdient.
3. Zusatzgebühr
Die Zusatzgebühr Nr. 1010 VV fällt für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Angelegenheiten an, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 VV richten und mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden. Vorliegend haben am 2.2., 3.5. und 10.8. vor dem LG Berlin drei Termine stattgefunden, in denen jeweils ein Zeuge vernommen worden ist. Dies gilt auch für den Termin vom 2.2., in dem der Zeuge A von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat und damit nicht zur Sache vernommen worden ist. Die Vernehmung zur Person stellt nämlich ebenfalls eine Vernehmung des Zeugen dar.
Es ist umstritten, ob im Kostenfestsetzungsverfahren festgestellt werden muss, ob es sich bei der Vernehmung von Zeugen in drei gerichtlichen Terminen um eine besonders umfangreiche Beweisaufnahme gehandelt hat. Nach überwiegender Auffassung in Rspr. und Lit., der auch das OLG Hamburg zuneigt, ist dies nicht zu prüfen. Allein der Umstand, dass in drei gerichtlichen Terminen Zeugen vernommen worden sind, indiziert nach dieser Auffassung eine besonders umfangreiche Beweisaufnahme. Dies gilt auch in dem hier vorliegenden Fall, in dem die Vernehmung der drei Zeugen insgesamt nur 28 Minuten gedauert hat.
Der Gebührentatbestand der Nr. 1010 VV erfordert erstaunlicher Weise nicht, dass der Prozessbevollmächtigte irgendwelche Aktivitäten im Hinblick auf die drei gerichtlichen Termine entfaltet haben muss. Da Rechtsanwalt K jedoch bei allen drei Zeugenvernehmungen in den Terminen anwesend war, hat er auf jeden Fall in seiner Person den Gebührentatbestand auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.
4. Auslagen
Ferner kann der Kläger als Auslagen seines Prozessbevollmächtigten die Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV und die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV gegen den Beklagten geltend machen.
II. Kostenfestsetzungsantrag
Somit wird der Kläger in seinem Kostenfestsetzungsantrag gegen den Beklagten folgende außerge...