Das Beschwerdegericht meint, die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV sei von dem LG zu Recht angewendet und die im Kostenfestsetzungsbeschluss anzusetzende Verfahrensgebühr entsprechend gekürzt worden.
Der durch Art. 7 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 30.7.2009 (BGBl I 2010, 2449) eingefügte § 15a Abs. 2 RVG sei gem. dem in § 60 Abs. 1 RVG bestimmten Grundsatz auf Altfälle nicht anzuwenden. Gegenstand der Festsetzung sei der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegen die von ihm vertretene Partei und nicht ein Anspruch gegenüber dem Prozessgegner. § 15a Abs. 2 RVG enthalte daher nicht nur eine Klarstellung, sondern eine Neuregelung, weil diese Vorschrift - nunmehr erstmals - bestimme, wann sich ein Dritter, wie beispielsweise der Gegner im Kostenfestsetzungsverfahren, auf eine Vorschrift über eine Anrechnung von Gebühren berufen könne.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, die durch die Tätigkeit des Anwalts in dem Rechtsstreit entstanden ist, ist in dem Verfahren der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen. Diese Gebühr ist bei der Kostenfestsetzung nicht auf Grund der Vorschrift in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zu kürzen.
Die Vorschrift über die Anrechnung der Geschäftsgebühr betrifft das Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten und wirkt sich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschl. v. 2.9.2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101; Beschl. v. 9.12.2009, XII ZB 175/07 - FamRZ 2010, 456). Die Anrechnung ist bei der Kostenerstattung nur dahingehend zu berücksichtigen, dass der Gegner nicht mehr zu zahlen hat, als die siegreiche Partei ihrem Rechtsanwalt aus dem Mandatsverhältnis schuldet. Die Anrechnung findet daher im Rahmen der Kostenfestsetzung nur in den Fällen statt, die nunmehr in § 15a Abs. 2 RVG gesetzlich geregelt worden sind.
§ 15a bestimmt den im Gesetz bisher nicht definierten Begriff der Anrechnung. Abs. 1 regelt die Folgen der Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten. Abs. 2 betrifft die sich daraus ergebenden Wirkungen im Verhältnis zu Dritten, die am Mandatsverhältnis nicht beteiligt sind (BT-Drucks 16/12717, S. 58), und stellt klar, welche Rechtsfolgen in diesem Verhältnis eintreten, wenn nach der Vorbem. 3 Abs. 4 VV eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV anzurechnen ist. Zu dieser Klarstellung sah sich der Gesetzgeber wegen einer nach seiner Auffassung dem Zweck der Anrechnung widersprechenden Auslegung der Vorschrift über die Anrechnung nach einer Entscheidung des VIII. Zivilsenats (Beschl. v. 22.1.2008, VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323) veranlasst (vgl. BT-Drucks 16/12717, S. 58). Dies hat der XII. Zivilsenat in dem Beschluss vom 9.12.2009 (XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456 ff.) im Einzelnen dargelegt. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei.
Die von dem X. Zivilsenat (Beschl. v. 29.9.2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76) gegen dieses Verständnis der Gesetzesmaterialien zu § 15a RVG vorgetragenen Bedenken teilt der Senat nicht. Der Wille des Gesetzgebers zu einer bloßen Klarstellung der Rechtslage kommt in den Materialien eindeutig zum Ausdruck, wenn in diesen erklärt wird, dass das Verständnis der Anrechnung in den im Vorjahr ergangenen Entscheidungen des BGH den Auftraggeber benachteilige und das Kostenfestsetzungsverfahren zusätzlich belaste, was beides unmittelbar den Zwecken zuwider laufe, die der Gesetzgeber mit dem RVG verfolgt habe (BT-Drucks 16/12717, S. 58). Da das davon abweichende Verständnis des § 15a RVG als Gesetzesänderung für die Entscheidung des X. Zivilsenats nicht tragend ist (a.a.O., 78), bedarf es keiner Vorlage der Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen nach § 132 Abs. 2 S. 1 GVG.
2. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist wegen des Rechtsfehlers, auf dem er beruht, aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG dahin abzuändern, dass die Verfahrensgebühr in vollem Umfange berücksichtigt wird.