ZPO § 91; RVG VV Nrn. 7003 ff.

Leitsatz

Die Kosten eines auswärtigen, nicht am Sitz der Partei und des Gerichts ansässigen Anwalts sind auch dann erstattungsfähig, wenn vor mehreren Gerichten verschiedene Rechtsstreite zwischen denselben Parteien geführt werden, die derart miteinander in Zusammenhang stehen, dass die Beauftragung mehrerer Anwälte unzweckmäßig ist.

AG Aichach, Beschl. v. 3.5.2010–102 C 842/09

Sachverhalt

Der frühere Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte gegen diesen wegen angeblicher Honorarforderungen insgesamt 13 Mahnbescheide beantragt. Nach Widerspruch wurden die streitigen Verfahren durchgeführt. Soweit der Streitwert des Verfahrens über 5.000,00 EUR lag, wurden die Verfahren an das LG Augsburg abgegeben, im Übrigen an das AG Aichach. Die in Aichach ansässige Beklagte beauftragte daraufhin einen Anwalt in Augsburg als Prozessbevollmächtigten, den sie mit der Vertretung in sämtlichen Verfahren beauftragte. Dieser nahm an den Terminen vor dem LG Augsburg teil sowie an insgesamt sieben Terminen am selben Tag vor dem AG Aichach. Sämtliche Klagen wurden durch Versäumnisurteil abgewiesen.

Die Klägerin beantragte daraufhin in den Verfahren vor dem AG Aichach die jeweils anteiligen Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten von Augsburg nach Aichach zu erstatten. Das Gericht setzte die Reisekosten mit der Begründung ab, die in Aichach ansässige Partei hätte dort einen Anwalt beauftragen können. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss wurden die Reisekosten zuzüglich Mehrwertsteuer hieraus mit der Begründung abgesetzt, dass die Beklagte ihren Wohnsitz in Aichach hat und damit Reisekosten eines auswärtigen Anwalts nicht erstattungsfähig sind.

Dies ist grundsätzlich richtig und entspricht der herrschenden Rspr.

Vorliegend ist allerdings dem besonderen Sachverhalt Rechnung zu tragen, dass aus dem Mandatsverhältnis zwischen Klage- und Beklagtenpartei mehrere Rechtsstreitigkeiten entstanden sind, die teilweise in Augsburg und teilweise in Aichach durchgeführt wurden. Hier wäre es lebensfremd, der Beklagten die Beauftragung verschiedener Rechtsanwälte zuzumuten, ganz abgesehen davon, dass in diesem Fall auch wesentlich höhere Reisekosten entstanden wären.

Anmerkung

Die Entscheidung ist zutreffend. Hätte die Partei einen Anwalt in Aichach beauftragt, also an ihrem Wohnsitz, dann wären in dem Augsburger Verfahren die Reisekosten Aichach-Augsburg erstattungsfähig gewesen, da eine Partei immer berechtigt ist, einen ortsansässigen Anwalt vor einem auswärtigen Gericht zu beauftragen.[1]

Dadurch, dass die Partei hier einen Augsburger Anwalt beauftragt hat, sind dem Gegner keine Mehrkosten entstanden. Er hat nämlich in dem Augsburger Verfahren die Erstattung der Reisekosten erspart. Dafür sind diese jetzt in dem Aichacher Verfahren angefallen. Per Saldo hätte der Kläger also ohnehin die Reisekosten (in umgekehrter Richtung, aber in derselben Höhe) zahlen müssen.

Hier kam hinzu, dass vor dem LG Augsburg mehrere Termine stattgefunden haben. Hätte die Partei also einen ortsansässigen Anwalt beauftragt, wäre die Sache für den Beklagten insgesamt noch teurer geworden.

Im Übrigen ist die Auffassung des AG zutreffend, dass eine Gesamtschau anzustellen ist. Bei mehreren Verfahren, die miteinander in Zusammenhang stehen, kann einer Partei nicht zugemutet werden, für jedes Verfahren einen anderen Anwalt zu beauftragen. Hier kam hinzu, dass Rechnungen zum Teil doppelt eingeklagt worden waren, nämlich vor dem AG Aichach und vor dem LG Augsburg. In einem solchen Fall kann man einer Partei wohl kaum zumuten, verschiedene Anwälte zu beauftragen.

[1] BGH AGS 2004, 359 = BGHReport 2004, 780 = RVG-Letter 2004, 47 = ZBB 2004, 316; AGS 2008, 204 = WRP 2008, 363 = FamRZ 2008, 507 = AnwBl 2008, 215 = MDR 2008, 350 = Rpfleger 2008, 227 = BGHReport 2008, 363 = JurBüro 2008, 258 = NJW-RR 2008, 1378 = RVGreport 2008, 112 = GuT 2008, 55 = BRAK-Mitt. 2008, 82.

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