ZPO § 788; RVG VV Nr. 3309
Leitsatz
Die Kosten einer Vollstreckungsandrohung aufgrund eines Prozessvergleichs sind erstattungsfähig, wenn der Schuldner nach Abschluss des Vergleichs eine Frist von zwei Wochen abwartet, ob die titulierte Forderung beglichen wird. Der Erstattungsfähigkeit der angefallenen Kosten steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Vollstreckungsandrohung der Vergleich noch nicht zugestellt war.
AG Esslingen, Beschl. v. 20.5.2010–1 M 1470/10
Sachverhalt
Die Parteien hatten am 5.3.2010 einen Vergleich geschlossen, wonach von der Beklagten 593,86 EUR an den Kläger zu zahlen waren. Ein Zahlungstermin wurde nicht vereinbart. Als am 22.3.2010 auf dem Konto des Gläubigers die Vergleichssumme noch nicht eingegangen war, beauftragte er seinen Anwalt, der am selben Tage den Beklagten unter Androhung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung aufforderte. Der Vergleich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestellt.
Am 23.3.2010 ging dann die Vergleichssumme beim Kläger ein.
Der Kläger beantragte daraufhin noch die ihm entstandenen Kosten der Vollstreckungsandrohung, nämlich eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer gem. § 788 ZPO festzusetzen.
Der Beklagte wandte sich gegen die Festsetzung. Er war der Auffassung, er habe rechtzeitig gezahlt; zudem sei der Vergleich noch nicht zugestellt gewesen.
Das Gericht hat antragsgemäß festgesetzt.
Aus den Gründen
Nach Ansicht des BGH (IXa ZB 146/03 [= AGS 2003, 561]) ist die durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr gem. § 788 Abs. 1 i.V.m. § 91 ZPO erstattungsfähig, "wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung eingeräumt war".
"Der Senat folgt der Meinung, der Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Vollstreckungsgebühr für eine an den Schuldner gerichtete Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung stehe nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt nicht zuvor die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hatte".
Fraglich ist hier, ob dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung gewährt wurde. Nach Ansicht des BGH ist für einen gerichtlichen Vergleich eine Frist von 14 Tagen ausreichend (BGH NJW-RR 2003, 1585).
Der Vergleich ist am 5.3.2010 geschlossen worden. Der Gläubigerseite ist der titulierte Betrag am 23.3.2010 auf dem Konto gutgeschrieben worden. Nach Ansicht des Gerichts ist es hier völlig unerheblich, ob der Schuldner die Überweisung am 19.3.2010 oder am 22.3.2010 tätigte. Entscheidend ist, dass der Erhalt der Leistung bei der Gläubgerseite erst am 23.3.2010 erfolgte und nicht am 22.3.2010. Am 22.3.2010 wurde dann das Aufforderungsschreiben des Gläubigervertreters gefertigt. Der Zeitraum vom 5.3.2010 bis zum 22.3.2010 beträgt zwei Wochen und drei Tage. Damit war die oben genannte 14tägige Frist zum Zeitpunkt des Schreibens verstrichen. Es war daher antragsgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend.
Bei einem Vergleich ist eine Zahlungsfrist von zwei Wochen mehr als angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schuldner spätestens mit Abschluss des Vergleichs seine Zahlungsverpflichtung kennt. Auf eine Zustellung des Vergleichs kann es insoweit daher nicht ankommen.
Die Notwendigkeit der Vollstreckungsandrohung ist aus Sicht des Gläubigers zu beurteilen. Hat er nach über zwei Wochen noch keine Kenntnis vom Zahlungseingang, dann darf er einen Anwalt mit der Vollstreckung beauftragen. Es hätte dem Schuldner freigestanden, vorab über seine Zahlung zu informieren, um Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern.
Ein Wort noch zur Entscheidung des BGH: Die Vollstreckungsgebühr fällt auch dann an, wenn der Gläubiger keine angemessene Frist hat verstreichen lassen. Entscheidend ist der Auftrag. Wird ein Anwalt mit der Androhung der Zwangsvollstreckung beauftragt, so löst dies immer die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV aus. Eine andere Frage ist, ob die Gebühr zu erstatten ist. Hierfür kommt es sicherlich darauf an, dass Fälligkeit eingetreten und dem Schuldner Gelegenheit gegeben worden ist zu zahlen. Für den Anfall der Gebühr ist dies aber unerheblich. Es gilt hier nichts anderes als bei einer Zwangsvollstreckung. Wird die Zwangsvollstreckung zu früh in Auftrag gegeben, ändert sich nichts daran, dass der Anwalt seine Vergütung dafür verdient. Ob der Schuldner diese Gebühr dann erstatten muss, ist eine andere Frage, ebenso wie die Frage, ob der Anwalt sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig gemacht hat, wenn er zu einer verfrühten Vollstreckung geraten hat.