Dem Kläger ist mit Beschluss des ArbG für die beabsichtigte Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe bewilligt und der Antragsteller beigeordnet worden. Der Antragsteller hat anschließend die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung beantragt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat antragsgemäß die Festsetzung vorgenommen. Der Bezirksrevisor beim LAG hat Erinnerung gegen die Festsetzung eingelegt, weil die vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr nicht anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet worden sei. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat erklärt, dass sie der Erinnerung nicht abhelfe und die Sache dem Vorsitzenden vorgelegt. Das ArbG hat die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde gegen diese Entscheidung zugelassen.

Die vom Bezirksrevisor eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat zu Recht die teilweise Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr abgelehnt. Die Voraussetzungen für eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV liegen nicht vor.

1. Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV entsteht, wird diese Gebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Nach § 15a Abs. 1 RVG, der seit dem 5.8.2009 gilt, kann der Rechtsanwalt dann, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. § 15a Abs. 1 RVG betrifft das Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Schuldner. Er gilt auch für den Prozesskostenhilfe-Anwalt gegenüber der Staatskasse (Müller-Rabe, NJW 2009, 2913). Nach dieser Vorschrift kann der Rechtsanwalt trotz der Anrechnung wählen, welche Gebühr er bei seinem Auftraggeber oder gegenüber der Staatskasse geltend macht. Er kann aber nicht mehr fordern, als ihm insgesamt unter Berücksichtigung der Anrechnung zusteht. Da bei der Geschäftsgebühr die anderen Möglichkeiten von § 15a Abs. 2 RVG ausscheiden, kann eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nur nach Erfüllung erfolgen (§ 15a Abs. 1, Alt. 1 RVG). Dies wird dadurch bestätigt, dass nach § 55 Abs. 5 S. 2–4 RVG lediglich dann eine Mitteilung erfolgen muss, wenn der Rechtsanwalt Zahlungen erhalten hat, nicht aber schon, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden ist (Müller-Rabe, NJW 2009, 2915).

2. Der § 15a RVG stellt dabei lediglich die bereits unter § 118 Abs. 2 BRAGO geltende und mit Einführung des RVG nicht geänderte Rechtslage klar (BGH 9.12.2009 – XII ZB 175/07 [= AGS 2010, 54]; BGH 2.9.2009 – II ZB 35/07 [= AGS 2009, 466]), weshalb in Altfällen entsprechend zu verfahren ist (OLG Köln v.5.10.2009–17 W 261/09). Sowohl in Neu- wie auch in Altfällen kann der Rechtsanwalt wählen, welche Gebühr er bei seinem Auftraggeber oder gegenüber der Staatskasse geltend macht. Er kann aber nicht mehr fordern, als ihm insgesamt unter Berücksichtigung der Anrechnung zusteht. Eben dies ergibt bereits die sachgerechte Auslegung von Vorbem. 3 Abs. 4 VV. Diese Regelung begrenzt lediglich den Gebührenanspruch im Innenverhältnis wegen der Vorbefassung des Rechtsanwalts. Mit Anrechnung wird kein schuldrechtlicher Erlöschenstatbestand bezeichnet, sondern lediglich die Höchstbegrenzung zum Ausdruck gebracht. Die Vorbefassung führt lediglich zu einer begrenzten Erhöhung der Gesamtvergütung. Sie füllt aber keinen gebührenrechtlichen Kürzungstatbestand im Hinblick auf eine fiktive, nicht geltend gemachte Geschäftsgebühr aus. Das Versäumnis der Inanspruchnahme von Beratungshilfe mag den Gebühren nach Nrn. 2501 ff. VV entgegenstehen. Mit der Regelung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV soll aber nicht diese Säumnis durch drastische Kürzung der Verfahrensgebühr infolge Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr und nicht lediglich des hälftigen Satzes einer nach § 49 RVG bemessenen Gebühr sanktioniert werden (so aber wohl OLG Hamm 25.9.2009–25 W 333/09). Dieser Ansatz rechtfertigte unter Berücksichtigung rechtmäßigen Alternativverhaltens allenfalls die Anrechnung der hälftigen Gebühr nach Nr. 2503 VV.

3. Im Streitfall ist zudem der Anfall einer Geschäftsgebühr nach Nrn. 2300 oder 2503 VV fraglich, weil der Antragsteller eine Beratungshilfeleistung ohne Beratungshilfeschein erbracht haben dürfte (OLG Düsseldorf 10.12.2009–10 WF 24/09). Hierfür spricht die Nichtgeltendmachung einer beliebigen Geschäftsgebühr. Der Anrechnung einer Geschäftsgebühr steht auf jeden Fall entgegen, dass der Antragsteller ersichtlich nach § 49b I 2 BRAO wegen der Bedürftigkeit der Partei die Gebühr nach Nrn. 2300 bzw. 2503 VV konkludent durch Nichtgeltendmachung erlassen hat. Sie kann schon aus diesem Grund bei der Höchstbetragsregelung der Vorbem. 3 Abs. 4 VV keinen Abzugsposten – mehr – bilden.

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