Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des SG ist gem. § 197 Abs. 2 SGG statthaft und auch i.Ü. zulässig, insbesondere fristgerecht eingegangen.

Die Erinnerung ist aber nicht begründet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist bei ihrer Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass für die anwaltliche Vertretung keine Terminsgebühr entstanden ist.

Die zwischen den Beteiligten im vorliegenden Fall allein streitige Terminsgebühr setzt nach der Vorbem. 3 VV grds. die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen oder außergerichtlichen Terminen voraus. Daran fehlt es hier. Gem. Nr. 3106 VV entsteht sie jedoch auch, wenn

  in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird,
  nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann oder
  das Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

Für das Klageverfahren kommt insofern ausschließlich die Nr. 3 in Betracht, auf die sich der Erinnerungsführer auch stützt. Deren Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt, weil das Ausgangsverfahren nicht nach angenommenem Anerkenntnis geendet hat. Gem. § 101 Abs. 2 SGG erledigt das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache. Dies setzt eine dementsprechende Prozesserklärung des Beklagten voraus. Dieser muss schriftlich gegenüber dem Gericht erklären, dass der streitgegenständliche prozessuale Anspruch des Klägers besteht (s. zum Ganzen B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., 2017, § 101 Rn 20 f.). Eine solche Prozesshandlung lässt sich der Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. In dem Klageverfahren hat sich der Beklagte zur Hauptsache in keiner Weise eingelassen. Er hat dem Gericht lediglich seine Verwaltungsvorgänge übersandt und darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich ein Abhilfebescheid ergangen sei.

Im Fall der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG stellt der Erlass des vom Kläger begehrten Verwaltungsakts durch den Beklagten kein (konkludentes) Anerkenntnis dar (ebenso mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen T. Lange, NZS 2017, 893 ff.). Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 88 Abs. 1 S. 3 SGG. Die dort vorgesehene Erledigungserklärung des Klägers wäre andernfalls nicht sachgerecht. Diesem Verständnis hat sich mittlerweile auch das BSG angeschlossen (Urt. v. 10.10.2017 – B 12 KR 3/16 R, Rn 18 mit zahlreichen Nachweisen). Die Gegenansicht könnte dazu führen, den grundlegenden verfahrensrechtlichen Unterschied zwischen einem außergerichtlichen erledigenden Ereignis in materiell-rechtlicher Hinsicht und einer Prozesshandlung zu verwischen.

Vor diesem Hintergrund folgt die Kammer nicht (mehr) der Rspr. des Kostensenats des Hessischen LSG (ebenso bereits SG Frankfurt am Main, Beschl. v. 17.4.2018 – S 7 SF 300/15 E). Dieser hat in der Vergangenheit mehrfach angenommen, dass im Fall einer Untätigkeitsklage eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV entsteht, wenn der Leistungsträger den begehrten Bescheid erlässt, der Rechtsstreit daraufhin für erledigt erklärt wird und zuvor bei Klageerhebung die Frist des § 88 SGG abgelaufen und kein zureichender Grund für eine verspätete Entscheidung des Leistungsträgers vorhanden war (so etwa im Beschl. v. 13.1.2014 – L 2 AS 250/13 B; bestätigt mit Beschl. v. 28.11.2016 – L 2 AS 184/16 B). Diese Rspr. ist aus den oben genannten Gründen abzulehnen. Die Kammer geht davon aus, dass der Kostensenat sie ebenfalls aufgeben wird, nachdem sie vom BSG in der oben zitierten Entscheidung ausdrücklich abgelehnt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Bei dem Erinnerungsverfahren handelt es sich nicht um einen Annex zu dem abgeschlossenen Verfahren der ersten Instanz, sondern gem. § 18 Abs. 1 Nr. 5 RVG um eine besondere Angelegenheit i.S.v. § 19 Abs. 1 S. 1 RVG. Für die Erinnerung fällt eine Gebühr nach Nr. 3501 VV an (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., 2017, § 197 Rn 10). Das bedeutet, dass analog § 193 SGG eine eigenständige Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren zu treffen ist.

AGS 7/2019, S. 324 - 325

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