Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. Voraussetzungen. Untätigkeitsklage. Erlass des begehrten Verwaltungsakts. kein Anerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer fiktiven Terminsgebühr.
2. Im Fall der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG stellt der Erlass des vom Kläger begehrten Verwaltungsakts durch den Beklagten kein (konkludentes) Anerkenntnis dar.
Tenor
Die Erinnerung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Erinnerungsgegner an den Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren S 1 SB 235/16 vor dem Sozialgericht Marburg. Im Streit steht die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung im Hinblick auf die Entstehung einer (fiktiven) Terminsgebühr.
In dem genannten Ausgangsverfahren erhob der Erinnerungsführer im Dezember 2016 Untätigkeitsklage gegen den Erinnerungsgegner, weil dieser seinerzeit noch nicht über einen Widerspruch des Erinnerungsführers vom 27. Juli 2016 gegen einen Bescheid des Erinnerungsgegners vom 27. Juni 2016 entschieden hatte. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2017 übersandte der damalige Beklagte dem Gericht seine Verwaltungsvorgänge und wies darauf hin, dass zwischenzeitlich ein Abhilfebescheid ergangen sei. Im Hinblick auf diesen Bescheid vom 12. Januar 2017 erklärte der damalige Kläger das Verfahren für erledigt und stellte Kostenantrag. Dem trat der damalige Beklagte entgegen. Mit Beschluss vom 17. Juli 2017 wurde der Beklagte des Ausgangsverfahrens verpflichtet, dem damaligen Kläger 50 % seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Am nächsten Tag bezifferte der Kläger des Ausgangsverfahrens seine erstattungsfähigen Kosten für das Klageverfahren. Dabei machte er folgende Positionen geltend:
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- Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG |
= 150,00 €, |
- Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG |
= 140,00 €, |
- Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG |
= 20,00 €, |
Zwischensumme: |
310,00 €, |
- 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG |
= 58,90 €, |
Endsumme: 368,90 €, davon 50 % |
= 184,45 €. |
Daraufhin beantragte der damalige Beklagte die Kostenfestsetzung für das Ausgangsverfahren. Die von ihm geforderte Terminsgebühr sei nicht entstanden. Der Erlass des mit einer Untätigkeitsklage begehrten Bescheids stehe einem Anerkenntnis nicht gleich.
Am 7. September 2017 erließ die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Kostenfestsetzungsbeschluss für das Ausgangsverfahren. Dabei wich sie von der Kostenforderung des Erinnerungsführers ab und setzte - der Ansicht des Erinnerungsgegners folgend - insgesamt einen von dem damaligen Beklagten an den damaligen Kläger zu erstattenden Betrag in Höhe von 101,15 € fest. Die geltend gemachte Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG sei nicht entstanden. Dies lasse sich schon der Kostengrundentscheidung entnehmen. Danach sei der verzögerte Erlass des Widerspruchsbescheids nicht allein dem Beklagten zuzurechnen. Dieser Umstand erkläre auch die vorgenommene Kostenquotelung.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss für das Ausgangsverfahren vom 7. September 2017 hat der Kläger am selben Tag Erinnerung eingelegt. Ob die Terminsgebühr entstanden sei, lasse sich nicht der Kostengrundentscheidung entnehmen.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 7. September 2017 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte dem Kläger als außergerichtliche Kosten für das Klageverfahren S 1 SB 235/16 vor dem Sozialgericht Marburg insgesamt 184,45 € zu erstatten hat.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss für rechtmäßig.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands und insbesondere wegen des Vorbringens der Beteiligten zur Begründung ihrer Anträge wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Darüber hinaus wird die beigezogene Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (Aktenzeichen: S 1 SB 235/16) in Bezug genommen. Beide Akten lagen der Entscheidungsfindung zugrunde.
II.
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 7. September 2017 ist gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingegangen.
Die Erinnerung ist aber nicht begründet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist bei ihrer Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass für die anwaltliche Vertretung in dem Klageverfahren S 1 SB 235/16 keine Terminsgebühr entstanden ist.
Erstattungsfähig sind gemäß § 193 Abs. 2 SGG die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Zu den letztgenannten zählt die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts (§ 193 Abs. 3 SGG). Diese bemisst sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit,...