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Immer mehr Strafverfahren werden und müssen in den Zeiten knapper Kassen im summarischen Strafbefehlsverfahren erledigt werden. Daher hat die Bedeutung des Strafbefehlsverfahrens (§§ 407 ff. StPO) in der anwaltlichen Praxis zugenommen. Das führt zunehmend auch zu gebührenrechtlichen Fragestellungen, da das RVG für das Strafbefehlsverfahren keine eigenen Gebührentatbestände vorsieht. Die anwaltliche Vergütung richtet sich nach den allgemeinen Regeln des Teils 4 VV. Die damit zusammenhängenden Fragen werden nachfolgend vorgestellt.
I. Allgemeines
Grds. wird die anwaltliche Tätigkeit im Strafbefehlsverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV abgerechnet. Voraussetzung für die Abrechnung nach Teil 4 VV ist aber auch im Strafbefehlsverfahren, dass dem Rechtsanwalt ein voller Verteidigungsauftrag erteilt worden ist. Nur dann ist er "Verteidiger" i.S.d. Vorbem. 4 Abs. 1 VV und kann nach Teil 4 VV abrechnen. Hat der Rechtsanwalt keinen Verteidigungsauftrag erhalten, sondern nur einen Beratungsauftrag, erfolgt die Abrechnung nach § 34 RVG.
Beispiel 1
Dem Beschuldigten B wird eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB zur Last gelegt. Gegen ihn ergeht ein Strafbefehl. B sucht Rechtsanwalt R auf und lässt sich von ihm über den weiteren Verfahrensgang beraten. Dann legt B selbst Einspruch gegen den Strafbefehl ein.
Rechtsanwalt R verdient, da er nicht als Verteidiger beauftragt worden ist, lediglich eine auf der Grundlage des § 34 RVG berechnete Beratungsgebühr.
II. Einzeltätigkeit
1. Allgemeines
Der Rechtsanwalt kann im Strafbefehlsverfahren auch im Rahmen einer sog. Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV tätig werden. Das ist nach der Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV immer dann der Fall, wenn ihm nicht sonst "die Verteidigung oder Vertretung übertragen ist". Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt lediglich mit der Einlegung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl beauftragt worden ist. Dafür entsteht dann nur eine Gebühr Nr. 4302 Nr. 1 VV – Einlegung eines Rechtsmittels.
Beispiel 2
Dem Beschuldigten B wird eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB zur Last gelegt. Gegen ihn ergeht ein Strafbefehl. B, der sich im Ausland aufhält, beauftragt Rechtsanwalt R nur damit, für ihn den Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen.
Rechtsanwalt R verdient, da es sich nur um eine Einzeltätigkeit handelt, nur die Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 1 VV und die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV.
Erhält der Rechtsanwalt später auch den Auftrag, den Einspruch zu begründen, entsteht noch gesondert eine weitere Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 2 VV. Anders als die Nrn. 4300, 4301 VV enthält die Nr. 4301 VV insoweit keine besondere Regelung.
Ist der Rechtsanwalt mit der Beistandsleistung im Strafbefehlsverfahren i.Ü. beauftragt, gilt ggf. Nr. 4302 Nr. 3 VV. Ist er ggf. nur damit beauftragt, einen Einspruch zurückzunehmen, entsteht die Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 2 VV. Bei mehreren Einzeltätigkeiten ist dann auf die Beschränkung der Vorbem. 4.3 Abs. 3 S. 2 VV i.V.m. § 15 Abs. 6 RVG zu achten.
Beispiel 3
Dem "Beschuldigten" wird aufgrund einer Personenverwechslung ein Strafbefehl zugestellt. Der Rechtsanwalt zeigt die Verteidigung an und legt Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Er weist darauf hin, dass der Mandant nicht die im Strafbefehl bezeichnete bzw. angeklagte Person sei. Das AG teilte daraufhin mit, dass der Einspruch des Mandanten ins Leere gehe, da dieser nicht der Angeklagte sei, und erlegt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des vermeintlichen Angeklagten (d.h. des Mandanten) der Landeskasse auf.
Der Rechtsanwalt beantragt im Kostenfestsetzungsverfahren, Gebühren und Auslagen eines Verteidigers, also Grund- und Verfahrensgebühren, zu erstatten. Der Antrag wird mit der Begründung zurückgewiesen, dass die beantragten Verteidigergebühren nicht entstanden seien. Der Mandant sei nicht angeklagt gewesen, sondern nur aufgrund einer Verwechslung Adressat der Strafbefehlszustellung geworden. Die vom Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen einer Einzeltätigkeit erbrachte Tätigkeit sei nach Nr. 4302 VV zu vergüten.
Das LG Berlin hat das bestätigt. Die Entscheidung ist jedoch falsch. Es wären vielmehr Gebühren nach Teil 4 Abschnitt1 VV festzusetzen gewesen. Der Strafbefehl steht einer Anklage gleich. Er richtet sich daher wie eine Anklageschrift gegen die darin bezeichnete Person, die in erster Linie durch Nach- und Vornamen sowie Geburtstag und -ort bezeichnet wird. Die Merkmale sind unveränderlich. Der Verteidiger hat auch keine andere Möglichkeit, als durch einen Einspruch eine Vollstreckungsgrundlage gegen seinen Mandanten zu verhindern.