Nach Auffassung des BGH hat das LG zutreffend angenommen, dass der Verfahrensbevollmächtigte nach Nr. 6302 VV für seine Tätigkeit im Verfahren über die Aufhebung der Freiheitsentziehung eine Verfahrensgebühr neben den Verfahrensgebühren erhält, die das AG nach Nr. 6300 VV zugunsten des Rechtsanwalts K. im Haftanordnungsverfahren und in dem weiteren vom jetzigen Verfahrensbevollmächtigten geführten Verfahren gegen die behördlich angeordnete Freiheitsentziehung festgesetzt hat.

Die Vergütung des Rechtsanwalts für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach den in Teil 6 Abschnitt 3 VV enthaltenen Sonderregelungen. Nach der gesetzlichen Anm. zu Nr. 6302 VV entsteht eine Verfahrensgebühr für jeden Rechtszug des Verfahrens über die Verlängerung (§ 425 FamFG) oder Aufhebung (§ 426 Abs. 2 FamFG) einer Freiheitsentziehung. Bei dem Antrag des Verfahrensbevollmächtigten vom 5.5.2017 handele es sich um einen Antrag auf Aufhebung einer Freiheitsentziehung nach § 426 Abs. 2 FamFG, der eine Verfahrensgebühr nach Nr. 6302 VV ausgelöst habe.

Die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten im Haftaufhebungsverfahren sei nicht durch andere Gebührentatbestände abgegolten. Weder das Haftanordnungsverfahren noch das gegen die behördliche Ingewahrsamnahme gerichtete Verfahren bilden im Verhältnis zum Haftaufhebungsverfahren dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG, wonach der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Die Annahme derselben Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setze einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit voraus. Nach der Rspr. des BGH betreffen weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen i.d.R. dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (u.a. BGH NJW 2011, 3657; AGS 2021, 262). Soweit der Auftrag die Wahrnehmung der Interessen in gerichtlichen Verfahren betreffe, bilde das gerichtliche Verfahren in einem Rechtszug regelmäßig eine Angelegenheit (BGH NJW-RR 2016, 883 = AGS 2016, 316; Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., 2015, § 15 Rn 10; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Aufl., 2021, § 15 Rn 5 f., 14). Das gelte allerdings nicht nur dann, wenn mehrere Ansprüche gegen zwei unterschiedliche Parteien zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gemacht werden, sondern im Grundsatz auch für den umgekehrten Fall, dass ein Recht einer Person in unterschiedlichen Gerichtsverfahren zur Geltung gebracht werden soll. Anhaltspunkte für eine gebührenrechtliche Selbstständigkeit können sich insbesondere aus der Systematik des gesetzlichen Gebührenverzeichnisses ergeben, wenn dort für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in unterschiedlichen Verfahren gesonderte Gebührentatbestände vorgesehen sind.

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