§§ 103, 104, 130a Abs. 3, 130d S. 1 ZPO
Leitsatz
Ein Kostenfestsetzungsantrag ist von einem Rechtsanwalt als elektronisches Dokument zu übermitteln.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.1.2024 – 18 W 120/23
I. Sachverhalt
Der Kläger, der Rechtsanwalt und Notar a.D. ist, hatte sich in dem vor dem LG Gießen geführten Rechtsstreit von Rechtsanwalt A vertreten lassen. Dieser hat für den Kläger beim OLG Frankfurt gegen das die Klage abweisende Urteil des LG Berufung eingelegt und begründet. Mit seinem per Telefax übermittelten Schriftsatz v. 29.8.2022 zeigte der Kläger an, er vertrete sich nunmehr selbst. Ferner wies er darauf hin, er besitze kein elektronisches Postfach – gemeint ist das beA –, weil er nur noch zwei Verfahren zu bearbeiten habe. Nach mehrfachem Hinweis des Berufungsgerichts auf § 130d ZPO ließ er sich zwecks Zustimmung zum schriftlichen Verfahren nunmehr durch Rechtsanwalt B vertreten.
Nach Beendigung des Berufungsverfahrens stellte der Kläger unter Verwendung seines Briefbogens als Rechtsanwalt und Notar einen als "Rechtsanwalt" unterzeichneten und v. 28.12.2022 datierten Kostenausgleichungsantrag, den Rechtsanwalt B im Auftrag des Klägers per beA an das LG Gießen übermittelte. Der hierzu gehörte Beklagte rügte den Antrag wegen Verstoßes gegen § 130a Abs. 3 ZPO als formunwirksam. Auf einen den Inhalt seines Antrags betreffenden Hinweis des Rechtspflegers des LG korrigierte der Kläger seinen Kostenausgleichungsantrag mit einem erneut durch Rechtsanwalt B per beA übermittelten Antrag v. 13.4.2023. Nach dem Hinweis des Rechtspflegers darauf, die Anträge würden "nicht mit dem signierenden Rechtsanwalt übereinstimmen", wiederholte der Kläger seinen zuletzt gestellten Antrag unter dem 20.6.2023 auf seinem Anwaltsbriefpapier per Telefax, wobei er bei der Namensangabe unter der Unterschrift die Bezeichnung "Rechtsanwalt" wegließ.
Durch Beschl. v. 17.7.2023 hat der Rechtspfleger des LG Gießen die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten festgesetzt. Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde machte der Beklagte geltend, der Kläger könne nicht zur Umgehung des gesetzlichen Formerfordernisses seinen Kostenfestsetzungsantrag formfrei als Partei stellen. Solange er als Rechtsanwalt tätig sei, habe er sich des beA zu bedienen.
Der Rechtspfleger des LG Gießen hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Frankfurt zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat der Rechtspfleger ausgeführt, bei Verfahren vor dem Rechtspfleger bestehe kein Anwaltszwang. Sofern eine Partei selbst Anträge als Partei stelle und nicht als Rechtsanwalt unterzeichnend an das Gericht sende, bestehe kein besonderes Formerfordernis.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat beim OLG Erfolg. Das OLG hat den zuletzt vom Kläger gestellten Kostenfestsetzungsantrag v. 20.6.2023 zurückgewiesen und den Kostenfestsetzungsbeschluss v. 17.7.2023 aufgehoben. Ferner hat das OLG den "Gegenstandswert der Beschwerde" auf 2.985,57 EUR festgesetzt.
II. Form des Kostenfestsetzungsantrags
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 103 Abs. 2 S. 1 ZPO ist der Kostenfestsetzungsantrag bei dem Gericht des ersten Rechtszuges anzubringen. Nach § 130d S. 1 ZPO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, dem Gericht als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Partei muss die Anforderungen des § 130d S. 1 ZPO nicht erfüllen. Für sie gilt die "normale" Schriftform.
2. Übermittlung als elektronisches Dokument
Nach Auffassung des OLG Frankfurt ist die Übermittlung eines unter § 130d S. 1 ZPO fallenden Antrages als elektronisches Dokument eine von Amts wegen zu prüfende Wirksamkeitsvoraussetzung. Dies habe zur Folge, dass ein von einem Rechtsanwalt per Telefax eingereichter Antrag – vom Sonderfall der hier nicht vorliegenden technischen Störung nach § 130d S. 2 ZPO abgesehen – als unzulässig abzuweisen sei. Folglich sei hier der unter dem 20.6.2023 per Telefax von dem Kläger eingereichte Kostenausgleichungsantrag unzulässig.
a) Sachlicher Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO
Nach Auffassung des OLG Frankfurt ist der sachliche Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO bei Einreichung eines Kostenfestsetzungsantrags durch einen Rechtsanwalt eröffnet. Diese Vorschrift gelte allerdings nicht bereits deshalb schon, weil ein Kostenfestsetzungsantrag gem. § 103 ZPO nur durch einen Anwalt gestellt werden könnte. Vielmehr bestehe für einen solchen Kostenfestsetzungsantrag kein Anwaltszwang. Der den Anwaltszwang regelnde § 78 Abs. 1 ZPO finde nämlich für das vor dem Rechtspfleger betriebene Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 13, 21 Nr. 1 und Nr. 2 RPflG keine Anwendung (s. BGH AGS 2006, 516 = RVGreport 2006, 357 [Hansens]).
§ 130d S. 1 ZPO ist nach den weiteren Ausführungen des OLG Frankfurt jedoch deshalb anwendbar, weil es sich bei dem Kostenfestsetzungsantrag um einen "schriftlich einzureichenden Antrag" im Sinne dieser Vorschrift handele. Zwar unterliege ein...