I. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine anwaltliche Tätigkeit von der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV erfasst wird, und der Sichtung der zu Nr. 4142 VV ergangenen Rspr. ist zu beachten, dass das Recht zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit Wirkung vom 1.7.2017 durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017[1] grundlegend geändert worden ist. Der Verfall und die Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO a.F.) sind durch dieses Gesetz abgeschafft worden.

Allerdings gilt gem. § 14 EGStPO nicht das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017,[2] sondern altes Recht für Verfahren, in denen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1.7.2017 im Urteil oder Strafbefehl festgestellt wurde, dass deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche eines Verletzten i.S.d. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB entgegenstehen.

Die Entscheidung des LG Chemnitz betrifft die Vergütung der Tätigkeit im Rahmen der Rückgewinnungshilfe und damit "altes Recht." Ob für die Tätigkeit in einem Arrestverfahren zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe nach § 111b Abs. 5 a.F. StPO die als Wertgebühr ausgestaltete Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV entstehen kann, ist umstritten.[3]

Die Entstehung der zusätzlichen Verfahrensgebühr ist hier insbesondere deshalb verneint worden, weil in diesen Fällen das Strafverfahren – anders als in den Fällen der Anordnung eines Verfalls – nicht zu einer endgültigen Entscheidung über den Vermögensverlust führt. Vielmehr werde häufig erst ein anschließendes zivilrechtliches Verfahren eine Klärung herbeiführen, in dem dann erneut Anwaltsgebühren anfielen. Es bestehe daher im Fall der Anordnung eines Arrests im Rahmen der Rückgewinnungshilfe auch noch keine, eine gesonderte Gebühr rechtfertigende Notwendigkeit, dass die Verteidigung des Beschuldigten sich mit den Einzelheiten dieses Arrests auseinandersetze.

Nach neuem Recht soll gem. §§ 73 ff. StGB in jedem Urteil mit Vermögenschaden eine Einziehung zumindest des festgestellten Wertersatzes erfolgen. Die Einziehung wird aber ohne Weiteres vom Wortlaut der Nr. 4142 VV erfasst, so dass jede anwaltliche Tätigkeit im Hinblick auf eine Einziehung die zusätzliche Verfahrensgebühr auslöst, vgl. Vorbem. 4 Abs. 2 VV.[4]

II. Das LG Chemnitz gesteht dem Freigesprochenen im Rahmen der aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen für jedes einzelne von dem Verteidiger betriebene Beschwerdeverfahren, weiteres Beschwerdeverfahren und ein Eilverfahren eine gesonderte zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV zu, was zu einem Erstattungsanspruch über insgesamt 10.201,87 EUR führt.

Das ist allerdings unzutreffend, weil das LG den Begriff des Rechtszugs gebührenrechtlich falsch definiert hat. Nach Abs. 3 der Anm. zu Nr. 4142 VV entsteht die zusätzliche Verfahrensgebühr für das Verfahren des ersten Rechtszugs einschließlich des vorbereitenden Verfahrens und für jeden weiteren Rechtszug gesondert.

§ 15 Abs. 2 RVG bestimmt, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Um mehrere Verfahrensgebühren fordern zu können, muss der Rechtsanwalt also in verschiedenen Angelegenheiten tätig sein. Die Anzahl der Angelegenheiten regelt das RVG in §§ 16 bis 21 RVG. Gem. § 19 Abs. 1 S. 1 RVG gehören zu dem Rechtszug oder dem Verfahren auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 RVG eine besondere Angelegenheit ist. Zu den zum Rechtszug gehörenden Verfahren gehören gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG insbesondere Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 VV richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder keine besonderen Gebührentatbestände vorgesehen sind.

Hieraus folgt, dass die Tätigkeit in Beschwerdeverfahren und Verfahren über eine weitere Beschwerde in Strafsachen (Teil 4 VV) für den Verteidiger mit den im Rechtszug verdienten Gebühren abgegolten ist (vgl. BGH NJW 2009, 2682 = StRR 2009, 385; KG StRR 2012, 307; OLG Düsseldorf AGS 2011, 70 = RVGreport 2011, 22; vgl. ausf. Volpert, in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Teil A Rn 559 ff.).

Weil der Verteidiger in dem vom LG entschiedenen, im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren tätig war, ist die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV nach Abs. 3 der Anm. zu Nr. 4142 VV also nicht fünfmal mit je 1.503,00 EUR, sondern nur einmal i.H.v. 1.503,00 EUR angefallen.

Auch für das Eilverfahren über die Aussetzung der Vollziehung des den Arrest aufhebenden Beschlusses entsteht keine gesonderte zusätzliche Verfahrensgebühr, weil auch insoweit kein neuer Rechtszug vorliegt. Gem. § 16 Nr. 5 RVG bilden das Verfahren über die Anordnung eines Arrests, über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung, Aufhebung oder Widerruf dieselbe Angelegenheit.

Joachim Volpert

AGS, S. 388 - 390

[1] BGBl I, S. 872...

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